And the winner is … das Team
© Gorodenkoff Productions OU
August 2022

And the winner is … das Team

Von Volker Paulun
Wie wichtig Teamwork in Forschung, Entwicklung und Wissenschaft ist, zeigt auch ein Blick auf die seit 1901 vergebenen Nobelpreise. Dort gewinnen oft Gemeinschaftsarbeiten von zwei oder drei Personen die prestigeträchtige Auszeichnung.

Insgesamt 609 Nobelpreise wurden zwischen 1901 und 2021 in den Kategorien Physik, Chemie, Medizin, Literatur, Frieden und Wirtschaft vergeben. Laut Statuten können sich maximal drei Personen einen Preis teilen. Ausnahme: Institutionen. Allein 26-mal ging der Friedensnobelpreis an eine Institution, zuletzt 2021 an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen. Auch darin spiegelt sich die Schlagkraft von Teamwork wider.

Bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen haben nur in der Chemie die Einzelpreisträger die Nase vorn: 63-mal wurde ein Einzelkämpfer oder eine Einzelkämpferin ausgezeichnet, 24-mal ein Duo, 25-mal ein Trio. Aber seit den 1980er-Jahren gibt es auch hier eine eindeutige Tendenz zum Teamwork. Bei Physik (47 Einzel- gegenüber 68 Doppel- oder Dreifach-Ehrungen) und noch deutlicher bei Medizin (39/73) liegen die Teams schon heute vorn.

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So verteilen sich die Nobelpreise in den verschiedenen Kategorien auf einen oder mehrere Preisträger© joeran.de

Einige dieser Teams sind sogar privat miteinander verbunden. Zum Beispiel Lawrence Bragg: Er wurde 1915 im Alter von 25 Jahren als bis heute jüngster Physik-Nobelpreisträger geehrt – zusammen mit seinem Vater William. Die beiden analysierten Kristallstrukturen mithilfe von Röntgenstrahlen.

Der jüngste Chemie-Nobelpreisträger verdiente sich die Auszeichnung zusammen mit seiner Ehefrau: 35 Jahre alt war Frédéric Joliot, als er 1935 zusammen mit seiner Angetrauten Irène Joliot-Curie für die gemeinsamen Radioaktivitätsforschungen ausgezeichnet wurde. Family Business hat Tradition bei den Curies: Bereits Irenes Eltern Pierre und Marie Curie hatten 1903 den Physiknobelpreis gemeinsam zugesprochen bekommen. Antoine Henri Becquerel wurde damals als Dritter im Bunde geehrt. Weitere als Team ausgezeichnete Ehepaare sind Gerty und Carl Cori (1947, Medizin), May-Britt und Edvard Moser (2014, Medizin, zusammen mit John O’Keefe) sowie Esther Duflo und Abhijit Banerjee (2009, Wirtschaft, zusammen mit Michael Kremer).

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Klar ersichtlich: In jüngerer Vergangenheit haben zunehmend Teams den Nobelpreis gewonnen© joeran.de

Erstaunlich ist auch, wie lange einige der Nobelpreisgewinner-Teams zusammenarbeiten. Die Bestmarke halten Michael S. Brown und Joseph L. Goldstein. Sie forschen seit nunmehr 40 Jahren Seite an Seite. 1985 erhielten sie gemeinsam den Medizinnobelpreis für ihre Entdeckungen über die Regulierung des Cholesterinstoffwechsels.

Nicht immer ist Teamwork eine Nobel-Erfolgsstory. Hier sind drei filmreife Beispiele, bei denen ein weibliches Teammitglied leer ausging:
  • 1938 experimentiert der deutsche Chemiker Otto Hahn mit seinem Assistenten Fritz ...
    1938 experimentiert der deutsche Chemiker Otto Hahn mit seinem Assistenten Fritz Strassmann mit Uran 239 und lässt es, wie er es selbst sagt, „zerplatzen“. So richtig kann er seine Beobachtungen aber nicht deuten und bittet seine Freundin, die im Exil lebende Physikerin Elise Meitner, per Brief um Hilfe. Und die kommt: Im Februar 1939 liefert sie zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch und basierend auf Hahns Beobachtungen die erste physikalisch-theoretische Erklärung der Kernspaltung. Um so unverständlicher, dass Otto Hahn 1945 allein für die die Entdeckung der Kernspaltung mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wird. Noch kurioser: Elise Meitner wurde insgesamt 48-mal für ihre Forschungsergebnisse in den Bereichen Chemie und Physik für einen Nobelpreis nominiert, allein sieben Mal von Max Planck, und ging stets leer aus. Sie starb 1968 kurz vor ihrem 90. Geburtstag. © Gemeinfrei
  • 1958 stirbt die britische Biophysikerin und Röntgenexpertin Rosalind Franklin. B ...
    1958 stirbt die britische Biophysikerin und Röntgenexpertin Rosalind Franklin. Berühmt wurde sie durch ihre bahnbrechenden Untersuchungen zur Struktur der DNA. Einer ihrer Laborpartner ist Maurice Wilkins, aber die Chemie zwischen den beiden stimmt nicht. Franklin sei eine sture Besserwisserin, mault Wilkins. Ohne ihr Wissen zeigt Wilkins – wie unfein – zwei weiteren Wissenschaftskollegen, die ebenfalls in dem Bereich forschen, von Franklin gemachte Röntgenbilder. Darauf eindeutig zu sehen: die Doppelhelix-Struktur der DNA. Die beiden Abgucker heißen James Watson und Francis Crick. „Zwei wissenschaftliche Clowns“, wie sie der bekannte DNA-Forscher Erwin Chargaff verächtlich bezeichnet. Auch Chargaff liefert ihnen ungewollt Wissen zu, nämlich die Erkenntnis, dass die DNA aus vier Basen besteht. Watson und Crick basteln aus Franklins Struktur und Chargaffs Bausteinen den Nachweis der Doppelhelix-Struktur der DNA zusammen und werden dafür zusammen mit Wilkins 1962 mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt. In ihrer Dankesrede erwähnen sie die entscheidende Vorarbeit der da schon verstorbenen Rosalind Franklin mit keinem Wort. Aus Scham für den Wissensdiebstahl? © Gemeinfrei
  • 1967 macht die junge nordirische Astrophysik-Studentin Joycelyn Bell Burnell ein ...
    1967 macht die junge nordirische Astrophysik-Studentin Joycelyn Bell Burnell eine der wichtigsten astronomischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts: Sie qualifiziert spezielle Radiowellen-Bündelungen erstmals als Signale von einem Pulsar, einem extrem schnell rotierenden Neutronenstern. Sieben Jahre später gibt es für diese Entdeckung den Nobelpreis für Physik – allerdings nicht für Burnell, sondern für ihren Doktorvater Antony Hewish und Martin Ryle, einen weiteren beteiligten Astronomen. Der Skandal ist perfekt. © Getty Images