Auf zu neuen Ufern
Elektro-Weltreise
„Nachhaltiger Abenteurer“ steht auf der Visitenkarte des Niederländers Wiebe Wakker. Zu Recht: Am 15. März 2016 startet der damals 29-Jährige von Amsterdam auf seine Reise um die Welt – immer auf der Suche nach einer Steckdose! Denn die 95.000 Kilometer lange Route durch 33 Länder, die nach rund drei Jahren in Australien endet, absolviert der Globetrotter mit seinem selbst umgebauten Elektroauto. Wakkers wahnwitzige Idee: Die Energie, die Blue Bandit, sein hellblauer VW Golf Variant alle 200 Kilometer zum Weiterfahren braucht, soll ausschließlich von Unterstützern am Wegesrand kommen. „Plug me in“ nennt der E-Globetrotter sein Projekt und die Website, auf der Menschen aus aller Welt schon vor dem Reisestart Hilfe in Form von Strom, Essen oder einer Unterkunft anbieten können. Seine Rechnung geht auf: Ob in Norwegen, Polen, der Türkei, den Arabischen Emiraten, Indien oder Malaysia – überall auf der Welt findet Wakker hilfsbereite Menschen, die ihn einladen, seinen Blue Bandit aufzuladen. Oder auch bei ihnen zu wohnen und mit ihnen zu essen. Was den sympathischen Abenteurer stets begleitet: liebenswerte und verrückte Begegnungen sowie organisatorische und technische Herausforderungen aller Art.
„Von einem Abendessen mit Scheichs in Dubai bis zum explodierten Ladegerät in Indien war alles dabei“, sagt Wiebe Wakker. Nicht ein einziges Mal während seiner gesamten Reise muss er sein Auto an einer öffentlichen Ladestation laden. Besonders bewegt hat ihn sein Zieleinlauf in Sydney. Als er am 7. April 2019 seine letzte Etappe fährt, wird er von einem Konvoi weiterer Elektroautos begleitet – Menschen, die seine abenteuerliche Weltreise teils von Beginn an verfolgen und seine Idee von nachhaltiger Mobilität unterstützen. Was der Niederländer mit seinem Abenteuer beweist? Unter anderem, dass man selbst bei einem Roadtrip rund um den Globus nicht zwingend die Umwelt belasten muss!
Reisezeit | 1.119 Tage, vom 15. März 2016 bis 7. April 2019 |
Durchquerte Länder | 33 |
Zurückgelegte Distanz | 95.000 km |
Unterstützungs-Angebote weltweit | 1.685 |
Medienveröffentlichungen | Mehr als 2.000 Online-Artikel, 150 Radio-Interviews, 50 Fernsehauftritte und Hunderte Zeitungsartikel |
Mit dem Fahrrad bis nach Asien
8.088 Kilometer, 13 Länder, 392 Stunden im Sattel und 15 Plattfüße … Johannes Geier (rechts) begab sich mit seinem Bruder von September 2019 bis März 2020 auf Fahrradtour. Mit ihrem Tandem bereisten sie Europa und Asien.
Johannes Geier arbeitet im Sondermaschinenbau in der Qualitätstechnik Elektronik und ist für Prüfstände zuständig, auf denen E-Achsen, E-Motoren und Hybrid-Getriebe getestet werden. 2019 nahm er aufgrund der veränderten Schaeffler-Bedarfe an Maschinen und Anlagen ein Sabbatical, schwang sich aufs Fahrrad und fuhr mit seinem Bruder Maximilian quer durch Europa bis in den Iran. „Und dann ging alles ganz schnell“, erinnert sich Johannes Geier. „Von der Idee, mit dem Rad bis nach Asien zu fahren, bis zum Aufbruch lagen nur sechs Wochen.“ Sein Bruder Maximilian legte spontan ein Urlaubssemester an der Uni ein und war mit dabei. Auto oder Flieger waren für Johannes keine Option, er wollte klimafreundlich reisen und langsam in das Abenteuer hineinfahren. Zusammen planten sie die Reiseroute, besorgten sich Visa, legten sich Tandem, Zelt, Wasseraufbereitungssystem und andere nützliche Reise-Utensilien zu und starteten September 2019. Im Rhythmus von sechs Tagen im Sattel, fünf Übernachtungen im Zelt und danach zwei Übernachtungen im Hotel durchquerten sie innerhalb von vier Wochen Europa.
„Je weiter wir uns von der EU-Grenze entfernten, desto größer wurde die Gastfreundschaft“, erinnert sich der Elektro-Ingenieur. „Wir wurden immer wieder angehalten und angesprochen natürlich auch, um Fotos zu machen. Dann folgte die obligatorische Einladung zum Essen mit anschließender Übernachtung. Die Gastgeber zeigten uns am nächsten Tag die Gegend oder halfen bei bürokratischen Hindernissen. So lernt man Land und Leute natürlich sehr intensiv kennen.“ Eigentlich wollten Johannes und Maximilian ja bis nach Thailand fahren, aber Corona und daraus resultierende Grenzschließungen machten den beiden einen Strich durch die Rechnung. Nach 8.088 Kilometern, einer Gesamtfahrzeit von 392 Stunden durch 13 Länder mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 21 km/h, mehr als 15 Plattfüßen, 700 Litern selbstgepumptem Wasser, 124 Mal Zeltaufbau und -abbau brachen sie ab und nahmen im März 2020 den drittletzten Flieger aus dem Iran nach Amsterdam.
„Was ich auf der Tour gelernt habe, ist gelassen zu bleiben, wenn es mal nicht nach Plan läuft, und den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Als uns in der Türkei die Felge gerissen ist und kein Händler und Mechaniker weiterhelfen konnte, sind wir kurzerhand wieder in die EU gefahren, haben Ersatzteile und ein Fahrradreparatur-Buch besorgt und den Schaden selbst behoben. Diese Eigenschaften helfen mir auch auf der Arbeit. Wir beschäftigen uns hier mit komplexen Systemen und müssen selber Lösungen finden, wenn was nicht auf Anhieb funktioniert. Aber gemeinsam im Team schaffen wir das.“
Johannes Geier kam 2017 als Trainee Operations zu Schaeffler und stieg danach im SMB ein. Er hat schon fast jeden Kontinent bereist, nur Afrika fehlt noch. Seine Reise dokumentierte der 32-Jährige in seinem Blog Biking Brothers. Zur Arbeit fährt er natürlich mit dem Rad.
Glücklich auf engstem Raum
Rund 1.000 Euro und etwa 300 Arbeitsstunden steckt Kerstin Bürk, die sich und ihr Do-it-Yourself-Label „Körmi Körmet“ nennt, in den Ausbau ihres agilen italienischen Minivans der Marke Piaggo Porter. Durch die handwerklich gekonnten Modifikationen verwandelt Bürk das ehemalige Transportfahrzeug der Stadtwerke Rottweil in ein rollendes Raumwunder. Patscho, wie sie ihr Kleinst-Eigenheim auf Rädern nennt, funktioniert wie ein multifunktionales Taschenmesser. Gerade mal 2,2 Quadratmeter groß ist die Ladefläche des Minivans und bietet der geschickten Architektin doch alles, was sie auf ihrer Atlantikreise braucht: Stauraum, Schlafplatz, Privatheit und Schutz. Durch Ziehen, Schieben und Klappen lassen sich diverse Multifunktions-Module als Regal, Tisch oder Sitzgelegenheit nutzen, die Heckklappe bietet Schutz vor Regen beim Kochen und Essen im Freien.
2017 startet Körmi ihren Trip mit Patscho. Zwei bis drei Monate lang will sie reisen – immer am Meer entlang. Maximal 134 km/h schafft der kleine orangefarbene Hingucker mit seinem 60-PS-Motörchen. Einmal unterwegs stellt sie fest: „Die Frage und Suche nach der tiefen inneren Glückseligkeit wurde zur Grundessenz meiner Reise.“ Aus den zwei Monaten werden zwei Jahre. Durch die Rückbesinnung auf das Nötigste sei sie reicher wiedergekommen als losgefahren, sagt Bürk. „Reich an kreativer Kraft, innerer Stärke, Ruhe und Zufriedenheit!“
Auch Patscho bekommt ein paar Upgrades: Während der Reise bastelt Bürk ein paar zusätzliche kleine Fächer und eine Dachterrasse. Zurück in der Heimat fasst sie ihre Erlebnisse zusammen, sortiert, schreibt und bittet einen Freund um Illustrationen. Das Ergebnis: Ihr detailreich gestaltetes Buch „Happiness ist Homemade“ ist eine Ermutigung, sich der eigenen kreativen Agilität und Kraft bewusst zu werden und sein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Reisezeit | 2 Jahre |
Durchquerte Länder | 6 (entlang der Atlantikküste: von Irland nach Marokko) |
Zurückgelegte Distanz | 35.000 km |
Minivan | Piaggo Porter (Bj. 2009), genannt Patscho |
Trampen ohne Zugmaschine
Humor muss man haben! Und jede Menge Geduld und Vertrauen. Jedenfalls wenn man so reist wie der Theaterkünstler Tjerk Ridder und der Journalist Peter Bijl. Drei Monate lang trampen die beiden niederländischen Abenteurer quer durch Europa – mit dem Wohnwagen, aber ohne Auto! „Anhängerkupplung gesucht“ heißt ihr Projekt, das sie 2010 von Utrecht nach Istanbul führt.
Der Hintergrund: Er habe zeigen wollen, dass Individualität nicht alles sei, so Ridder. Im Gegenteil: „Für alles im Leben braucht man andere, um voranzukommen. Diese Metapher wollte ich sichtbar machen“, erklärt der Caravan-Tramper. Was bietet sich da besser an, als mit einem Wohnwagen zu reisen, für dessen Transport man auf die Anhängerkupplungen anderer angewiesen ist?
Reisezeit | 3 Monate (2010) |
Durchquerte Länder | 8 (von Utrecht nach Istanbul) |
Distanz | 3.700 km |
Genutzte Anhängerkupplungen | 53 |
Raus aus der Komfortzone
Zu Fuß und ohne Geld von München nach Tibet – diese völlig verrückte Idee hat Stephan Meurisch in die Tat umgesetzt. Job gekündigt, Wohnung aufgelöst, Rucksack gepackt und losmarschiert. Immer Richtung Osten. Als der gelernte Elektrotechniker am 31. Oktober 2015 in Tibet ankommt, hat er in vier Jahren 13 Länder durchquert, ist 13.000 Kilometer gelaufen! Und hat wahnsinnig viel gelernt – über Körpersprache, Vertrauen, Gastfreundschaft und nicht zuletzt über sich selbst. Seine Mission heute: Als selbstständiger „Weitwanderer, Abenteurer und Coach“ macht er Menschen Mut, sich zu bewegen. Und auch mal die eigene Komfortzone zu verlassen.
Reisezeit | 11. März 2012 bis 31. Oktober 2015 |
Durchquerte Länder | 13 (von München nach Tibet) |
Distanz | 13.000 km – zu Fuß |
Mit Huhn und Hindernissen
Welch ein Trip: Seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt sich Guirec Soudée im Dezember 2013. Der damals 21-jährige Franzose sticht in See. Mit dem eigenen stählernen Segelboot, das er Yvinec nennt – wie die bretonische Halbinsel, von der er stammt. Und irgendwann auch mit Huhn Monique an Bord, das ihm während seiner abenteuerlichen Weltumsegelung Gesellschaft leisten wird. Schon als der junge Mann Frankreich verlässt, liegt ein gutes Stück Arbeit hinter ihm, denn das Boot, das er nach jahrelangem Jobben endlich kaufen kann, ist in miserablem Zustand. „Yvinecs Rumpf ist so verrostet, dass er an manchen Stellen so dünn ist wie Zigarettenpapier“, schreibt Guirec in dem Buch über sein eigenwilliges Segelabenteuer. Niemand glaubt daran, dass dieses Boot jemals seetauglich, geschweige denn in der Lage sein wird, Weltmeere zu überqueren. Keiner außer Soudée, der überzeugt ist, dass man im Leben nichts erreichen kann, wenn man nicht positiv denkt.
Er behält recht: Mit seinem 11,70 Meter langen Stahlboot segelt Guirec Soudée in elf Etappen um die Welt. Immer dabei: Die „fuchsrote Schönheit“, wie der Abenteurer seine gefiederte Freundin bezeichnet. Von der Bretagne durch die Biscaya nach Teneriffa, von dort über den Atlantik in die Karibik. Anschließend steuert er Grönland an, wo er, fasziniert von den Polarlichtern, überwintert, bevor er die gefähliche Nordwestpassage durchquert, erst Nord- und dann Südamerika umrundet und über Südafrika und die Kleinen Antillen wieder nach Hause segelt.
Dreimal hat er in den fünf Jahren den Atlantik überquert, 130 Tage lang im Eis festgesessen, Flauten, Stürme, Eisberge und haushohe Wellen bewältigt, immer wieder gejobbt, um die Weiterreise zu sichern, und die traumhaftesten Landschaften gesehen. Und Monique? Welche besonderen Leistungen hat Guirecs ungewöhnliche weibliche Begleitung auf der Reise vollbracht? Über 1.000 Eier hat das hochseetaugliche Tier dem Segler gelegt. Köstlich!
Reisezeit | Dezember 2013 bis Dezember 2018 |
Route | In 11 Etappen um die Welt |
Distanz | 45.000 Seemeilen |
Stahlboot | Yvinec; Länge: 11,70 m; Breite: 3,70 m; Gewicht: 9.000 kg; Baujahr: 1985 |
Engagement statt Mitleid
Der Mann ist ein Kämpfer. Sven Marx ist 42 und Tauchlehrer, als 2009 bei ihm ein Hirntumor diagnostiziert wird. Nach der lebensrettenden OP der Schock: Der Berliner ist ein Pflegefall. Was ihn jedoch nicht davon abhält, acht Jahre später um die Welt zu radeln. In 17 Monaten durchquert Marx mit einem maßgeschneiderten Fahrrad 30 Länder, legt 32.000 Kilometer zurück. „Aufgeben war nie eine Option. Es hilft niemandem, seinem alten Leben nachzutrauern“, sagt der leidenschaftliche Radfahrer – auch wenn diese Art der Fortbewegung Tücken hat. Das pannenreichste Erlebnis: Die spitzen Samen einer in Mexiko heimischen Pflanze verursachen acht Reifenplatten – an einem Tag! Inzwischen ist das Buch zur Reise erschienen: „Aber du bist doch behindert. Vom Pflegefall zum Mutmacher“. Und genau das ist Sven Marx: ein Abenteurer mit Handicap, der Zuversicht verbreitet und sich unermüdlich für weltweite Inklusionsprojekte einsetzt. Hut ab!
Reisezeit | 17 Monate |
Durchquerte Länder | 30 (Start und Ziel: Berlin, dazwischen u. a. Russland, Japan, Australien, USA und Frankreich) |
Distanz | 32.000 km |
Fahrrad | Patria Junior, mattschwarz mit Zahnriemenantrieb |
Erlebnisse shoppen
Mit Geländewagen und Fahrrad hatte Christian Zimmermann Australien bereits durchquert. Und jetzt? Das logische Downgrading hieß: zu Fuß. Das Problem: Wie soll man 30 Liter Wasser plus Gepäck transportieren. Für den Rucksack war das zu viel. Die Lösung: Der Schweizer packte einen Einkaufswagen (Mrs. Molly, the trolley) voll und marschierte los. 3.000 Kilometer weit. 2016 war das. Die Idee war so absurd, dass Zimmermann sie 2020 wiederbelebte. Mitten im Coronajahr eins schob er die vollgepackt 90 Kilo wiegende Mrs. Molley aus seiner Schweizer Heimat bis nach Moskau. Die rüstige Korb-Dame meisterte alle Torturen ohne einen einzigen Defekt. Schlammige Pisten, holpriges Gelände oder gar Treppen mochte sie hingegen gar nicht. Stoppen ließ sich das ungewöhnliche Gespann aber von alldem nicht.
Reisezeit | 111 Tage |
Durchquerte Länder | 8 |
Distanz | 3.392 km, 30.000 Höhenmeter |
Einkaufswagen | „Mrs. Molley“, ausgerüstet mit pannenfreien Rollen, regendichter Folie und Schirm als Sonnen- und Regenschutz für den „Fahrer“ |