Digital sieht man besser
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September 2021

Digital sieht man besser

Von Volker Paulun
Warum quer durch die Welt reisen, wenn man sich das Projekt im Homeoffice via Hightech-Brille sprichwörtlich vor Augen führen kann. Willkommen in der Augmented Reality (AR). Beispiele aus der Schaeffler-Welt zeigen, wie diese digital-visuelle Technologie Prozesse effizienter macht und auch die Qualität steigern kann.

„Ohne den Einsatz von Augmented Reality hätten wir das Projekt während der Pandemie gar nicht stemmen können“, ist sich Schaeffler-Qualitäts­experte Dr. Achim Donnermeyer sicher. Er und seine Kollegen mussten mitten in turbulenten Coronazeiten zwei Großlagerprüfstände für ­Schaeffler zum Einsatz bringen. Einen in China, einen in Rumä­nien. Entwickelt und gebaut hatte die Volleyballfeld-großen Hightech-Anlagen eine Spezialfirma in Israel. Einzelanfertigungen, maßgeschneidert für die hochgesteckten Anforderungen von Schaeffler.

Vier Länder (Deutschland als Standort von Donnermeyer und seinen Kollegen mitgezählt), Tausende Kilometer voneinander entfernt. Und das zu Zeiten, in denen Corona sämtlichen Reiseverkehr an die Kette gelegt hatte. „Unter anderem durch den Einsatz von sogenannten HoloLens-Brillen, dem AR-System unseres IT-Partners Microsoft, war es uns möglich, eine Art Vor-Ort-Szenarien zur kreieren. Wir konnten so nicht nur die Entstehung der Maschine in Israel bei Bedarf in Echtzeit begutachten, auch beim gesamten Abnahmeprozess kam diese Technologie zum Einsatz“, erklärt Donnermeyer.

Digital sieht man besser
Schaeffler Virtual Fitter: Durch die via HoloLens aufgezeichneten und übertragenen Informationen kann der Schaeffler-Experte am heimischen Schreibtisch die Vor-Ort-Arbeiten durch audiovisuelle Hinweise unterstützen – in Echtzeit© Schaeffler
Notlösung wird zum Musterbeispiel

Die eigentliche Notlösung entwickelte im Laufe des Herstellungsprozesses echte Vorteile. „Wir konnten bei Problemlösungen nicht nur schneller, sondern vor allem auch präziser reagieren. Die Liste der immer auftretenden Nachkorrekturen war daher beim Abnahmeprozess kürzer als bei ähnlichen Projekten in der Vergangenheit“, bilanziert der Schaeffler-Experte. Um so einen HoloLens-Einsatz zu erklären, nennt er ein Beispiel: „Nehmen wir an, ein bestimmtes Bauteil sorgt für Probleme. Das kann eine von Tausenden verbauten Schrauben sein. Anstatt jetzt umständlich zu beschreiben, welche Schraube exakt gemeint ist, markieren wir die gemeinte Problemstelle am heimischen Bildschirm direkt im Livebild, das uns der Kollege, der Tausende Kilometer entfernt vor Ort an der Maschine arbeitet, via HoloLens überträgt. In Echtzeit bekommt er die Markierung dann ebenfalls eingeblendet und weiß exakt, wo er Hand anlegen muss. Solche Ad-hoc-Lösungen haben sich als extrem effi­zient und hilfreich herausgestellt, weil wir während des gesamten Entstehungsprozesses nachjustieren konnten.“ Bei der Einrichtung der Prüfstände in China und Rumänien spielte die HoloLens die oben genannten Stärken ebenfalls aus. Beide Anlagen konnten trotz Corona-Reisebeschränkungen fristgerecht in Betrieb genommen werden. „Allein ich habe zwei Wochen Vor-Ort-Einsatz durch die HoloLens eingespart, das ist natürlich auch ein Kostenpunkt“, sagt Donnermeyer.

Rund um den Globus im Einsatz

Schaeffler setzt schon seit vielen Jahren und in ­ver­schie­densten Bereichen Augmented Reality ein. Mittlerweile ist fast jeder Standort mit HoloLens-Systemen ausgestattet. Der Automotive Aftermarket beispielsweise will solche virtuellen Animationen und interaktiven Elemente verstärkt nutzen, um Werkstattkunden auf der ganzen Welt via HoloLens die Handhabung von Reparatursätzen und Spezialwerkzeugen leicht verständlich zu erklären.

76,7 Mio. professionelle VR-Brillen

sollen 2024 weltweit verkauft werden, zehnmal so viele wie 2020. Der Markt für Virtual Reality wächst bis 2024 im Schnitt um 30 % pro Jahr, bei Augmented und Mixed Reality sogar um bis zu 57 %.

Prognose: Deloitte; Quelle: marketing-boerse.de

Die Industriesparte bietet ihren Kunden mit dem Schaeffler Virtual Fitter ebenfalls eine weltweit abrufbare, schnelle und effiziente Montageunterstützung durch Augmented Reality an. Dafür wird den Kunden im Bedarfsfall eine AR-Brille als Leihgerät zugeschickt. Diese tragen Mitarbeitende des Kunden bei der Maschinenüberprüfung, während der Schaeffler-Monteur über eine sichere Datenverbindung zugeschaltet wird. Die Live-Übertragung von Fotos und Videos liefert dem Schaeffler-Experten ein umfassendes Zustandsbild und er kann die Vor-Ort-Arbeiten mit seiner Expertise unterstützen. Durch die Projizierung ins Sichtfeld hat die ausführende Person dabei beide Hände frei zum Arbeiten.

Dieser Remote-Montageservice ist meist schneller verfügbar als Schaeffler-Experten vor Ort, die persönlich anreisen müssen. Dieser Zeitvorteil spart bares Geld, weil Kosten für Anfahrt, Personal und oft auch Stillstandzeiten von Maschinen reduziert werden. „In Summe sparen unsere Kunden durch das Remote-Angebot bis zu 50 Prozent der Kosten gegenüber einem Vor-Ort-Service. Zudem findet durch die Expertenanleitung auch ein Know-how-Transfer zum Kunden statt“, sagt Reinhold Daft, Leiter Montageservices bei Schaeffler.