Gläserne Daten für die Ewigkeit
Die anvisierten Eckdaten der an der Universität Southampton entwickelten Technologie lesen sich beeindruckend: eine per Femtosekundenlaser (siehe Infoelement) beschreibbare 5D-Daten-Disc aus Quarzglas soll auf der Fläche einer CD bis zu 500 Terabyte Daten speichern können – was der 10.000fachen Datendichte einer Blu-Ray Disc entsprechen würde.
Das sind Femtosekundenlaser
Femtosekundenlaser sind Infrarotlaser mit sehr schwachen, kurzen Lichtpulsen im Bereich von Femtosekunden. Femto ist ein Einheitenvorsatz. Eine Femtosekunde (1 fs) entspricht 10−15 Sekunden. Diese Laser werden unter anderem bei zahlreichen verschiedenen medizinischen Anwendungen eingesetzt. Zum Beispiel in der Zahnmedizin, Augenheilkunde (Grauer-Star-Operationen) oder in der Krebstherapie.
Zur Veranschaulichung: Den Dateninhalt aller Bücher in der Kongress-Bibliothek in Washington abzuspeichern, 39 Millionen Bücher verteilt auf 1.349 Kilometer Regallänge, würde etwa 20 Terabyte belegen. Eine digitale Bibliothek mit den beschriebenen Seiten aller auf der Welt verfassten Bücher ist etwa 400 Terabyte groß – würde also auch auf eine einzige der neuen Wunderscheiben passen. Oder alternativ zu Schriftdokumenten ließen sich auf einem solchen 5D-Speicher in CD-Größe mit 500 Terabyte 125.000 Spielfilme ablegen. Aktuell liegt die erreichte Bestmarke bei 360 Terabyte.
Ein weiteres Plus dieses neuartigen Speichermediums ist die lange Lebensdauer der Daten. Die Wissenschaftler schätzen, dass sich die gespeicherten Informationen bei Zimmertemperatur auch noch nach 13,8 Milliarden Jahren noch abrufen lassen. Eine Blu-Ray-Disc überdauert dagegen schätzungsweise maximal 80 Jahre. Kurzfristig sollen die Quarz-Speicher sogar Temperaturen um die 1.000 Grad Celsius überstehen. Sie sind also perfekt für die Ewigkeit. „Während Cloud-basierte Systeme eher für temporäre Daten ausgelegt sind, glauben wir, dass die 5D-Datenspeicherung in Glas für die längerfristige Datenspeicherung für nationale Archive, Museen, Bibliotheken oder private Organisationen nützlich sein wird“, erklärt Yuhao Lei von der University Southampton.
Zeitstrahl „Geschichte der Datenträger“
Bestehende Technik optimiert
Die optische 5D-Datenspeicherung in transparenten Materialien an sich ist nichts Neues. 1996 tauchten erste Ideen auf, Daten mit Hilfe von ultraschnellen Lasern in transparenten Materialien einzubrennen. Es dauerte aber 17 Jahre bis der Sprung von der Theorie in die Praxis gelang: 2013 präsentierten die Wissenschaftler in Southampton den ersten Prototypen eines gläsernen Speichermediums, in dessen Struktur per Laser Datenpunkte eingebrannt wurden.
Kristallspeicher als Filmvision
Falls Ihnen Glas, beziehungsweise Kristalle als Datenträger bereits irgendwie bekannt vorkommen – der Bordcomputer HAL 9000 des Raumschiffs Discovery One in dem Oscar-prämierten Science-Fiction-Klassiker "2001" hat einen solchen Kristall-Speicher. Diese Vision hatte Stanley Kubrick bereits 1968. Und er ist damit nicht allein: Auch im ersten Superman-Kinofilm aus dem Jahr 1978 ist das gesamte Gedächtnis des Planeten Krypton in einem Kristall-Speicher verewigt. Was lag also näher, diesen Kinoklassiker auf einer Kristallscheibe zu konservieren Microsoft tat dieses 2019 mit seinem Projekt „Silica“ (Foto unten).
Der Vorteil der kristallinen Speicher ist bemerkenswert: Bei den eingravierten Datenpunkten handelt es sich um winzige Nanogitter. Diese komplexen Strukturen verfügen nicht nur über die bekannten drei räumlichen Dimensionen (Länge, Breite, Höhe), sondern sie erzeugen auch zwei weitere, nämlich optische Dimensionen. Sie spalten das einfallende Licht auf (Doppelbrechung), wobei die Lichtrichtung die vierte Dimension definiert und die hervorgerufene Verzögerung die fünfte. Deshalb sprechen die Forscher auch von der 5D-Datenspeicherung. Hört sich kompliziert an und ist es auch. Entscheidend ist: Durch das Lichterspiel in der 4. und 5. Dimension können deutlich mehr Informationen gespeichert und ausgelesen werden. Nicht zuletzt da die gerade einmal 500 mal 50 Nanometern großen Datenpunkte von verschiedenen Richtungen ausgelesen werden können, steigt die Datendichte auf acht Bit pro Nanogitter an. Das Auslesen erfolgt mit einer Kombination aus einem Lichtmikroskop und einem Polarisator, der im Grunde nichts anderes ist als ein Sonnenbrillenglas mit Pol-Filter.
Schneller Schreiben
Das 2013 angewendete Laserschreibverfahren hatte noch einen gewaltigen Haken: Die Geschwindigkeit der Datenübertragung war extrem langsam. Doch nun haben die Forscher den Turbo eingeschaltet: Mittels eines verbesserten Schreibverfahrens mit unterschiedlich starken Laserpulsen werden die Nanogitter nicht nur energetisch effizienter, sondern auch wesentlich schneller in die Quarz-Disc eingebrannt. „Dieser neue Ansatz verbessert die Datenschreibgeschwindigkeit auf ein praktisches Niveau, so dass wir Dutzende von Gigabytes an Daten in einer angemessenen Zeit schreiben können“, so Lei. Außerdem können thermische Schäden an der Gitterstruktur, welche bei der vorherigen Brennmethode immer wieder auftraten, durch die ultrakurzen Lichtimpulse vermieden werden.
Den Engländern ist es mittlerweile gelungen Textdaten mit fast 100 prozentiger Auslesegenauigkeit auf Quarz-Scheiben zu schreiben. Und dass bei einer hohen Taktung von bis zu 1.000.000 Gitterpunkten („Voxeln“) pro Sekunde – was einer Datenmenge von 230 Kilobyte oder mehr als 100 Seiten Text pro Sekunde entspricht.
Aber nicht nur auf der Erde sorgt die neue Speichertechnik für Aufsehen. Bereits 2018 schoss der US-Milliardär und SpaceX-Besitzer Elon Musk als PR-Aktion einen Tesla Roadster mit einer Falcon-Heavy-Rakete ins All. Mit an Bord des Autos: Ein 5D-Datenspeicher mit dem kompletten Foundation-Zyklus – die bekannte Science-Fiction-Serie des russischen Autors und dem Erfinder der Roboter-Gesetze Isaac Asimov.