Glückliche Zufälle

Von Wiebke Brauer
Ein klares Ziel verfolgen ... und etwas völlig anderes entdecken oder erfinden. Fachbegriff: Serendipität. Legendäre Beispiele von Verbundglas bis Viagra.

Blasenfolie

Blasenfolie

Der Plan Nein, mit Verpackungsmaterial haben der Amerikaner Al Fielding und der Schweizer Marc Chavannes so gar nichts im Sinn. Sie verfolgen eine andere Strategie: Die von ihnen ersonnene Bubble Wrap soll als günstige und vor allem abwaschbare Strukturtapete dienen. Eine Idee, die vermutlich auch der damaligen ästhetisch fragwürdigen Tapetenmode geschuldet ist. Der Prototyp besteht aus zwei zusammengeklebten Duschvorhängen samt eingeschlossener Luftblasen. Am 27. November 1959 melden die Erfinder ihre Folie beim US-Patentamt an und gründen ein Jahr später die Sealed Air Corporation.

Der Zufall Leider will sich niemand die Innovation an die Wand klatschen. Eine neue Strategie muss her: Sie versuchen nun, die Folie als Treibhaus-Isolierung zu vertreiben. Klappt auch nicht richtig gut. Der Marketingexperte der jungen Firma, Frederick W. Bowers, hat dann die zündende Idee für ein Happy End: die Folie als schützendes Verpackungsmaterial nutzen. Bowers spricht bei IBM vor, die gerade den neuen Großrechner vom Typ 1401 zur Auslieferung bringen wollen. Der Siegeszug der Knallfolie beginnt.

Das Ergebnis Heute ist die Blasenfolie auch dank des blühenden Onlinehandels so erfolgreich, dass die Jahresproduktion reichen soll, um die Erde zehnmal zu umwickeln. Die Sealed Air Corporation ist zum global agierenden Verpackungsunternehmen mit 4,7 Mrd. Dollar Umsatz und rund 15.000 Mitarbeitern herangewachsen. Vom Umweltaspekt einmal abgesehen: Bubble Wrap wird nicht nur erfolgreich als Zeitvertreib zum Stressabbau eingesetzt, sondern wird 2004 sogar in das New Yorker Museum of Modern Art aufgenommen. Es gibt sogar einen Ehrentag, den Bubble Wrap Appreciation Day, am letzten Montag im Januar. Peng!

Nutella

Nutella

Der Plan Pietro Ferrero steht nach Ende des Zweiten Weltkriegs in seiner Konditorei, um ein Schokoladenkonfekt herzustellen. Das Problem des Konditors: die strengen Rationierungen der Nachkriegszeit – 1946 gibt es im italienischen Alba nicht allzu viele Kakaobohnen. Also nimmt Ferrero gemahlene Haselnüsse und streckt die Masse damit. Er nennt das fertige Produkt Pasta gianduja, das in Blöcken ausgeliefert und scheibchenweise verkauft wird.

Der Zufall Aber wie wird aus den Schokoblöcken Nutella? Da kommt der Zufall ins Spiel – und zwar in Form heißer italienischer Tage. Die lassen die Schokolade schmelzen. Der Legende zufolge füllen Händler das zähflüssige Zeug im Hitzesommer 1949 kurzerhand in Gläser. Pietro Ferreros Sohn Michele greift die Idee auf, ersetzt krümelige Kokosbutter durch flüssigeres Pflanzenöl – fertig ist die braune Crème.

Das Ergebnis 1951 kommt die Supercrema gianduja auf den Markt, darf ab 1962 aber nicht mehr so heißen – ein italienisches Gesetz verbietet das Präfix Super in Markennamen – und das Fantasiewort Nutella wird erfunden, gebildet aus dem englischen nut (Nuss) und der italienischen weiblichen Verkleinerungsform -ella. Das Glas für die Nuss-Nougat-Creme entwirft 1964 ein italienischer Designer mit dem ziemlich passenden Namen Lelo Cremonesi.

Nutella besteht zu 60 Prozent aus Pflanzenfett. Es ist also quasi Salat

Unbekannt

Rauchmelder

Rauchmelder

Der Plan Der Schweizer Walter Jäger arbeitet Ende der 1930er-Jahre an einem Giftgassensor. Der Physiker ionisiert Luft in einem Messgerät und legt eine Spannung an, eindringendes Gas soll die Ionen binden und somit die elektrische Leitfähigkeit des Sensors verringern. So weit der Plan.

Der Zufall Allerdings: Das Messgerät misst nichts. So gar nichts. Übel gelaunt zündet sich Jäger eine Zigarette an – und das Amperemeter verzeichnet einen Stromabfall. Der Rauch der Zigarette hat das geschafft, was beim Giftgas so nicht möglich war – die Ionen lagern sich an den Rauchpartikeln an. Womit bewiesen wäre: Rauchen schadet zwar der Gesundheit, führt aber in sehr seltenen Fällen zu Erfindungen, die vor dem Tod durch Rauchentwicklung schützen.

Das Ergebnis Die Sache hat nur einen Haken: Da Ionisationsrauchmelder geringste radioaktive Materialien enthalten, sind sie in Europa für private Zwecke verboten. Die Idee hat aber Bestand: Heute sind optische Rauchmelder im Gebrauch. Darin werden ausgesendete Lichtstrahlen, die im Normalfall absorbiert werden, durch Rauchpartikel so abgelenkt, dass sie auf eine Fotolinse treffen und Alarm auslösen. Mittlerweile senden WLAN-fähige Geräte Warnsignale per App aufs Handy.

Teflon

Teflon

Der Plan ... beginnt damit, dass Roy Plunkett, Mitarbeiter des US-Chemiekonzerns DuPont, 1938 nach einem neuen Kältemittel für Kühlschränke sucht und mit Tetrafluorethylen forscht.

Der Zufall Die Legende besagt, dass der junge Chemiker das Gas in einem Kanister einfriert, der über Nacht an Druck verliert. Am nächsten Morgen findet Plunkett weiße, wachsartige Krümel in dem Behälter. Die Moleküle des Gases hatten sich zu langen Ketten verbunden. Das entstandene Polytetrafluorethylen ist äußerst reaktionsträge, hat eine geringe Oberflächenhaftung und eine hohe Hitzebeständigkeit. Plunkett nennt den neuen Kunststoff Teflon – und kann so überhaupt nichts damit anfangen.

Das Ergebnis 1941 lässt Plunkett das Material mit der Kurzbezeichnung PTFE patentieren – und weiß noch immer nicht weiter. Es heißt, dass dann der französische Ingenieur Marc Grégoire in den 1950er-Jahren auf die Idee gekommen ist, eine Angelschnur mit dem Zeug zu überziehen, damit diese sich leichter entwirren lässt. Aber erst Grégoires Frau Colette setzt auf die richtige Strategie: Pfannen und Töpfe mit PTFE beschichten. 1956 gründet Grégoire in Rumilly die Firma Tefal. Das Wort Teflon wiederum geht in den modernen Sprachgebrauch ein – als Synonym für die Fähigkeit, etwas einfach an sich abperlen zu lassen.

Und außerdem ... Dass Teflon das Ergebnis von NASA-Forschungen wäre, ist längst als Märchen entlarvt. Ein New Yorker Haushaltswaren-Händler bewarb 1970 seine Pfannen mit dieser Lüge.

Viagra

Viagra

Der Plan Ursprünglich wird die Substanz Sildenafil erprobt, um ein Medikament gegen koronare Herzerkrankung zu entwickeln. Die Forscher von Pfizer hoffen dabei, der Wirkstoff könne die Gefäße im Herzen entspannen und die Beschwerden der Angina Pectoris lindern.

Der Zufall Die Studien verlaufen ziemlich enttäuschend, zumal die Substanz zu schnell vom Körper abgebaut wird und man Wechselwirkungen mit Nitroglyzerin entdeckt, dem Standardmedikament gegen Angina Pectoris. Dazu berichten viele Probanden von seltsamen Nebenwirkungen. Wirklich bemerkenswert wird die ganze Nummer allerdings, als sich viele Männer weigern, die restlichen Medikamente nach Studienende herauszugeben. Deren Argument: Das Medikament tue ihnen generell irgendwie gut. Dann brechen Unbekannte sogar in ein Sildenafil-Labor ein. Pfizer startet eine neue Studie, diesmal an Patienten mit Erektionsstörungen ...

Das Ergebnis Hinlänglich bekannte blaue Pillen. 1998 wurde Viagra in den USA und Europa zugelassen. Und außerdem ... Die zweite Karriere ist bei gescheiterten Medikamenten kein Einzelfall: So ist das heute als Antidepressivum bekannte Prozac ursprünglich als Medikament gegen Bluthochdruck entwickelt worden. Die Teilnehmer der Studie waren plötzlich sehr guter Dinge. In der Pharmaindustrie heißt die (kostensparende) Strategie übrigens „drug repositioning“, was man mit „Neuausrichten eines Wirkstoffs“ übersetzen könnte.

Stets findet Überraschung statt, da, wo man’s nicht erwartet hat

Wilhelm Busch

Streichholz

Streichholz

Der Plan Der Brite John Walker sucht eine leicht entflammbare Substanz für die Munitionsherstellung. Dafür mischt der Apotheker aus Stockton-on-Tees Antimon-Sulfid und Chlorsalz mit Gummi arabicum und Stärke.

Der Zufall Das Zeug brennt besser als erhofft. Als ein Rest der Verbindung am Rührstab haften bleibt, versucht Walker, die Masse an einer rauen Oberfläche abzustreifen – der Stab geht lichterloh in Flammen auf. Die Geburtsstunde des Zündholzes.

Das Ergebnis Walkers Idee brachte ihm keinen Reichtum. Stattdessen hörte ein Samuel Jones aus London von der Zufallserfindung und meldete sie 1828 zum Patent an. Er taufte sie Lucifers – aufgrund des unangenehmen Schwefelgeruchs.

Und außerdem ... Der schwedische Industrielle Ivar Kreuger entwickelt 1930 eine listige Vermarktungsstrategie für Zündhölzer: Er vergibt an Deutschland und 16 andere Länder hohe Kredite zu günstigen Bedingungen, als Gegenleistung erhält er das „Zündwarenmonopol“ und kann die Hölzer überteuert verkaufen. Als das Monopol in Deutschland 1983 fällt, stürzen die Preise um über 30 Prozent ab.

Radiergummi

Radiergummi

Der Plan Einen Schreibfehler ausmerzen.

Der Zufall Was man zunächst wissen muss, um das Versehen zu erkennen: Seit etwa Mitte des 16. Jahrhunderts werden Brotklumpen zum Entfernen von Graphitstrichen verwendet. Und im Jahr 1770 sitzt der britische Optiker und Instrumentenbauer Edward Nairne an seinem Schreibtisch, verschreibt sich – und greift nicht zum Brot, sondern versehentlich zu einem Stück Kautschuk. Nun kann man sich fragen, warum neben Nairne ein Stück Gummi liegt. Der Grund: Etwa 30 Jahre zuvor bereist der Franzose Charles Marie de La Condamine das Amazonasgebiet im fernen Brasilien und beschreibt die indianische Herstellungsweise und Eigenschaften des Naturkautschuks, was eine enorme Neugier auf die neue Substanz auslöst – und zahllose Strategien sprießen lässt, was man alles damit anstellen könnte. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass auch bei Handwerksmeister Edward Nairne auf dem (offenbar sehr unordentlichen) Schreibtisch auch ein Stück Kautschuk herumfliegt, das sich zufällig als äußerst effektiv bei der Fehlerkorrektur herausstellt.

Das Ergebnis Nairne gibt dem neuen Helferlein den Namen Rubber und verkauft die etwas über einen Zentimeter großen Würfel zum stolzen Preis von drei Shilling.

Und außerdem ... Weil der damals sehr populäre US-Naturforscher und Theologe Joseph Priestley das Prinzip des Radiergummis als Erster niederschreibt, gilt dieser jahrelang als dessen alleiniger Erfinder.

Batterie

Batterie

Der Plan Luigi Galvani beabsichtigt eines schönen Tages im Jahr 1780, abends in Fett gesottene Froschkeulen zu essen.

Der Zufall Die sezierten Froschschenkel legt Galvani in der Nähe einer „Elektrisiermaschine“ – damals ein sehr beliebtes Gadget bei Technik-Nerds. Galvanis Froschbeine beginnen zu zucken, sobald er sie mit einem Messer berührt. Der Naturforscher stellt aufgrund seiner Beobachtung die Theorie der Tierelektrizität auf. Er nimmt an, dass er mit dem Messer die noch verbliebene Lebenskraft aus dem Tier ableiten konnte. Heute würde man vielleicht Entladung dazu sagen.

Das Ergebnis Als 1791 Galvanis Abhandlung über tierische Elektrizität erscheint, wiederholt sein Landsmann Alessandro Volta die Experimente. Die Theorie des Physikers: Es sind die Metalle, die für das Zucken verantwortlich sind, kein elektrisches Fluidum im Tier selbst. Volta kombiniert unterschiedliche Metalle, befeuchtet sie mit Säure und stellt fest: Bei Berührung entsteht elektrische Spannung. Die Voltasche Säule war erfunden – der Prototyp der modernen Batterie.

Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen

Friedrich Dürrenmatt

Verbundglas

Verbundglas

Der Plan Nicht mehr zu ermitteln, aber in keinem Fall liegt es Anfang des 20. Jahrhunderts in Édouard Bénédictus’ Absicht, Sicherheitsglas zu erfinden. Tatsache ist auch, dass der Franzose nicht nur Chemiker ist, sondern auch Komponist, Schriftsteller und einflussreicher Künstler des Art déco.

Der Zufall 1903 stößt Bénédictus in seinem Labor aus Versehen einen Glaskolben um, der nicht zerbricht. Der Grund: Der Kolben ist innen mit einer dünnen Plastikschicht überzogen, eine Hinterlassenschaft von verdunstetem flüssigen Zelluloid. Es heißt, dass Bénédictus den Vorfall notiert und wieder vergessen habe. Erst als er in einer Pariser Zeitung von einem Autounfall liest, bei dem ein Mädchen durch das zersplitterte Glas der Windschutzscheibe schwer verletzt worden ist, fällt ihm der Vorfall mit dem Kolben wieder ein.

Das Ergebnis Nach zahlreichen Experimenten erhält Bénédictus 1909 ein Patent auf sein laminiertes Glas, 1910 entwickelt er ein Dreischicht-Sicherheitsglas namens Triplex, das im Ersten Weltkrieg in Flugzeugen und Gasmasken verbaut wird. Zwei Jahre später stellt die in England gegründete Firma Triplex Safety Glass Co. Ltd. Verbundglas nach dem von Bénédictus entwickelten Verfahren her und wirbt mit dem Slogan: „Nimm Triplex und du bleibst heil!“

Herzschrittmacher

Herzschrittmacher

Der Plan Einen Oszillator zu bauen, der Herzschläge aufzeichnet – so lautet der Auftrag, den zwei Ärzte 1956 an den US-Elektroingenieur Wilson Greatbatch erteilen.

Der Zufall Bei der Umsetzung fischt Greatbatch aus einer Schachtel mit Widerständen einen Zylinder mit der Kennung braun-schwarz-grün und einem hundertfach höheren Widerstand statt der richtigen Kombination braun-schwarz-orange heraus. Ein glücklicher Fehlgriff. Greatbatch, ein Tüftler, der insgesamt 325 Patente angemeldet hat, erkennt das Potenzial des missglückten Oszillators (der einen 1,8 Millisekunden langen Impuls abgibt und dann eine volle Sekunde stromlos bleibt) als Herzschrittmacher und gründet eine Firma.

Das Ergebnis Zunächst interessiert sich niemand für das Produkt – bis Greatbatch 1958 Dr. William Chardack trifft. Der leitende Chirurg des Veterans Administration Hospital in Buffalo bittet Greatbatch, ihm bei einem defekten Oximeter zu helfen. Das kann er nicht, dafür fragt Greatbatch den Chirurgen, ob er Interesse an einem Herzschrittmacher in der Größe einer Streichholzschachtel habe. Chardacks Antwort: „Wenn Sie das erfinden könnten, würden Sie jährlich 10.000 Leben retten.“ Am 9. Juni 1960 wird der erste Schrittmacher von Chardack bei einem Menschen implantiert.

Und außerdem ... Mehr oder weniger zeitgleich mit Greatbatch entwickelt der schwedische Arzt Åke Senning zusammen mit Ingenieuren ebenfalls einen implantierbaren Schrittmacher. 1958 setzen sie diesen einem Patienten ein. Eine Weltpremiere. Dennoch gilt Greatbatch heute als entscheidender Impulsgeber des Impulsgebers und als alleiniger Erfinder des voll implantierbaren Schrittmachers, weil er das Gerät um eine entscheidende Innovation ergänzt: Erst durch eine von ihm entwickelte ausdauernde Lithiumbatterie wird der Herzschrittmacher zum autonomen Dauerläufer. Bei der Variante der vorgepreschten Schweden hingegen muss die Batterie (die obendrein nicht sehr haltbar ist) regelmäßig von außen nachgeladen werden – was die Patienten entsprechend 42 stark einschränkt.

Cornflakes

Cornflakes

Der Plan Dr. John Harvey Kellogg will ein Brot backen, das der Verdauung und der sexuellen Enthaltsamkeit dient. Dafür muss man vielleicht noch erwähnen, dass der tief religiöse Kellogg 1876 Leiter einer damals noch kleinen Klinik in Michigan ist: des Battle Creek Sanitarium. Dort traktiert er Patienten mit einer strikten vegetarischen Diät, Elektroschocks, Lachtherapien oder eisigen Bädern. Klingt befremdlich, allerdings erfreut sich die Klinik enormer Beliebtheit – sogar bei Henry Ford und Thomas A. Edison.

Der Zufall Das mit dem Brot klappt nicht so ganz, allerdings vergisst Kellogg anno 1894 über Nacht einen Topf mit Weizenbrei. Anstatt die Pampe tags darauf wegzuwerfen, schiebt er den Brei durch eine Rollenpresse, in der Hoffnung, lange Teigblätter zu machen. Stattdessen kommen gemahlene Brösel heraus. Die ersten werden am 7. März 1897 (mit etwas Salz) im Sanitarium unter dem Namen Granose serviert – und kommen als medizinische Nahrung gut an.

Das Ergebnis Dass aus der Zufallserfindung Granose die erfolgreichsten Frühstücksflocken der Welt werden, dafür sorgt der für die Vermarktung zuständige Kellogg-Bruder Will Keith. Zunächst werden die Brösel zu appetitlichen Flocken aus leckerem Mais statt fadem Weizen. Ein Riesenmarkt tut sich allerdings erst auf, als Will Keith Kellogg 1906 zum Entsetzen seines Bruders Rohrzucker in die Rezeptur mischt – die beiden zerstreiten sich und sprechen nie wieder miteinander.

Kaugummi

Kaugummi

Der Plan Der New Yorker Thomas Adams, der von Fotografie bis Glashandel schon so einiges versucht hat, kauft dem mexikanischen Ex-General Antonio López de Santa Anna, der auf Staten Island im Exil lebt, die gummiartige Masse Chicle ab. Sein Ziel: aus dem Milchsaft des mexikanischen Breiapfelbaums preisgünstige Reifen herstellen.

Der Zufall Alle Versuche, Chicle zu vulkanisieren, um es für Fuhrwerksräder zu verwenden und damit reich zu werden, scheitern. Keine Chance. Allerdings beobachtet Adams irgendwann, dass ein Mädchen in einem Drugstore Paraffinwachs zum Kauen kauft. Er erinnert sich, gehört zu haben, dass die Maya bereits auf Chicle herumgekaut haben sollen. Er steckt sich kurzerhand ein Stückchen in den Mund – und hat die perfekte Nutzung für den Rohstoff gefunden.

Das Ergebnis 1869 wurde das erste Patent zur Herstellung von Kaugummi angemeldet. Die ersten Kugeln aus Chicle werden 1871 in einem Drugstore in Hoboken, New Jersey, verkauft. Sie sind geschmacklos. Erst später mischt Adams Aromastoffe bei, so schmeckt „Black Jack“, das 1884 auf den Markt kommt, nach Lakritz. Heute werden jedes Jahr 379 Milliarden Kaugummis weltweit verkauft.

Klettverschluss

Klettverschluss

Der Plan Was für ein Plan? Zunächst einmal ärgert sich der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral 1941 auf einem Jagdausflug in den Alpen ausschließlich über die vielen Kletten, die an seiner Hose und im Fell seines Hundes hängen geblieben sind. Falls sich das jemand fragt: Der Hund heißt Milka.

Der Zufall Georges de Mestral hat von klein auf einen Hang zu technischen Funktionsweisen. Bei näherer Betrachtung der mit nach Hause genommenen Kletten unter dem Mikroskop ist ihm ziemlich schnell klar: Die winzigen, elastischen Häkchen könnten als Verschluss-System dienen, um zwei Materialien auf einfache Weise miteinander zu verbinden.

Das Ergebnis Zehn Jahre später lässt Georges de Mestral seine hakelige Erfindung unter dem Namen Velcro, eine Zusammensetzung aus den Wörtern „velours“ (franz. Samt) und „crochet“ (franz. Haken), rechtlich schützen. Seine gleichnamige Firma ist heute nach wie vor Weltmarktführer und beschäftigt mehr als 2.500 Mitarbeiter. Und falls man jemals in die Verlegenheit kommen sollte, kurz den Begriff Bionik zu erklären – lästige Kletten sind ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie sich Natur (in diesem Fall äußerst gewinnbringend) in Technik umsetzen lässt.

Wiebke Brauer
Autorin Wiebke Brauer
Die Hamburger Autorin Wiebke Brauer (u. a. ramp, ADAC Motorwelt, spiegel.de) versucht noch immer, das Wort „Serendipity“ fehlerfrei auszusprechen. Sollte es ihr je gelingen, handelt es sich um einen glücklichen Zufall.