Heißer Sand für heiße Winter
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April 2025

Heißer Sand für heiße Winter

Von Björn Carstens
Wäre es nicht schön, wenn man die Hitze des Sommers speichern und im Winter zum Heizen abrufen könnte? Wissenschaftler aus der ganzen Welt forschen daran, wie sich zeitlich und räumlich versetzt Wärme nutzen lässt. „tomorrow“ stellt neuartige Speicher vor: Sand, Säure und neuerdings auch Speckstein.

Es ist DIE Herausforderung für eine erfolgreiche Energiewende: das Speichern von erneuerbaren Energien. Denn Wind- und Solarenergie erzeugen zwar jede Menge Strom, allerdings nicht unbedingt dann, wenn er gebraucht wird. Solange im Sommer die Sonne scheint, brauchen Haushalte relativ wenig Energie. Anders sieht es in den kalten Monaten aus, wenn Verbraucher die Heizungen aufdrehen. Die grüne Energiewende wird also enorme Mengen an Speicherkapazität erfordern, um die überschüssige Energie aus dem Sommer im Winter bereitstellen zu können. In Finnland haben Forscher eine besonders simple und nachhaltige Methode entwickelt.

Wärme wird im Sandsilo monatelang gespeichert

Im finnischen Kankaanpää sorgte das Cleantech-Start-up Polar Night Energy erstmals im Jahr 2022 mit einem innovativen Energiespeicher aus Sand für Aufsehen. Das Prinzip war so einfach wie genial: Mit dem im Sommer produzierten Überschussstrom aus Solar- und Windanlagen erhitzen die zwei dahinterstehenden Jungunternehmer Sand, mit dem ein vier Meter breiter, sieben Meter hoher und gut isolierter Stahltank gefüllt ist. Nach Angaben von Polar Night Energy wird der Sand mit Hilfe eines in der Mitte vergrabenen Wärmetauschers auf etwa 500 bis 600 Grad aufgeheizt. Bis zu acht Megawattstunden (MWh) können so für die sonnenarmen Wintermonate gewonnen werden – bei einer Nennleistung von 100 kW. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Dreipersonenhaushalt in Deutschland verbraucht etwa 3,5 MWh im Jahr. Das Unternehmen spricht von einem Wirkungsgrad von bis zu 99 Prozent und von der Fähigkeit, Wärme monatelang mit minimalem Verlust zu speichern.

So funktioniert die Sandbatterie: Nach Angaben des Unternehmens lässt sich das System auch skalieren: Anlagen mit einer Speicherkapazität von etwa 20 GWh können Hunderte von Megawatt Nennleistung erzeugen, und der Sand kann in bestimmten Ausführungen auf bis zu 1.000 Grad erhitzt werden.

„Als Material bietet Sand viele Vorteile: Er ist langlebig, kostengünstig und kann in kleinem Volumen viel Wärme bei einer Temperatur von etwa 500–600 Grad Celsius speichern.“

Markku Ylönen, CTO von Polar Night Energy
Heißer Sand für heiße Winter
In diesem mit 100 Tonnen Sand gefüllten Silo lässt sich Wärme monatelang mit minimalem Verlust speichern© www.polarnightenergy.fi

Der Sandsilo steht auf dem Gelände eines lokalen Fernwärmekraftwerks. Von dort aus wird die im Silo gespeicherte Wärme ins Fernwärmenetz eingespeist und weitergeleitet an umliegende private und öffentliche Gebäude wie Büros und Schwimmbäder. Die naheliegende Idee, die Wärme zurück in Strom zu wandeln, funktioniert hingegen nicht so effizient. Das Konstrukt taugt laut Unternehmensangaben ausschließlich zur Wärmespeicherung. Im kalten Finnland allerdings nicht ganz unwichtig: Hier entfallen 25 Prozent der verbrauchten Energie auf die Beheizung von Gebäuden.

„Es ist wirklich einfach, Strom in Wärme umzuwandeln“, sagt Markku Ylönen, einer der Gründer von Polar Night Energy, „aber um Wärme in Strom umzuwandeln, braucht man Turbinen und komplexere Dinge. Solange wir die Wärme nur als Wärme nutzen, bleibt es wirklich einfach.“

BBC News hat über die Sandbatterie von Polar Night Energy berichtet
Weiterentwicklung mit Speckstein als Wärmespeicher

Ende 2024 startete Polar Night Energy in der finnischen Gemeinde Pornainen mit dem Bau eines weiteren, noch größeren Silos, der anstelle von Sand zerkleinerten Speckstein als Wärmespeicher-Material nutzt. Speckstein ist ein traditionelles finnisches Rohmaterial, das in diesem Fall aus der Produktion von Kaminen abgefallen ist. Ungefähr 2.000 Tonnen davon wurden für die Befüllung des Speichers verwendet – das entspricht in etwa 40 Lkw-Ladungen.

Die weiterentwickelte Sandbatterie – oder besser gesagt Specksteinbatterie – verfügt über eine Leistung von 1 Megawatt und kann bis zu 100 Megawattstunden Wärme speichern. Sie soll künftig das zentrale Heizsystem für die rund 5.000 Einwohner von Pornainen unterstützen. Erste Tests im Winter waren erfolgreich.

Parallel dazu plant Polar Night Energy eine weitere Pilotanlage, bei der geprüft werden soll, ob eine Sandbatterie nicht doch auch effizient Strom erzeugen könnte – also ob die gespeicherte Wärme in elektrische Energie umwandelbar ist. Der Bau dieser Testanlage soll demnächst beginnen, die Tests bis Ende 2026 laufen. Ziel von Polar Night Energy ist es, mit den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt künftig kommerzielle Sandbatterie-Kraftwerke zu bauen, die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten können.

Energiespeicher aus dem Labor  

Gleiches Ziel, andere Herangehensweise. Auch Forscher der TU Wien haben sich die Frage gestellt, wie sich Wärme jeglicher Art – auch die bei Industrieprozessen anfallende – zu einem späteren Zeitpunkt nutzen lässt. Die Wissenschaftler haben unlängst ein Verfahren patentiert, bei dem Borsäure in einem Reaktor durch Hitze in öliges und energiereiches Boroxid umgewandelt wird. Dabei wird Wasser freigesetzt. Fügt man dem in Tanks monatelang lagerbaren Boroxid wieder ­Wasser zu, läuft die chemische Reaktion umgekehrt ab, und die chemisch gespeicherte ­Wärmeenergie (70–200 Grad) wird wieder freigesetzt.

Heißer Sand für heiße Winter
Ausgewählte Chemikalien dienen als chemischer Wärmespeicher© TU Wien

Mit Labortests wurde nachgewiesen, dass dieser Prozesskreislauf mehrfach wiederholt werden kann. Im nächsten Schritt wollen die Wiener Forscher mit Partnern aus der Industrie herausfinden, wie die Reaktortechnologie auf industrielle Maßstäbe hochskaliert werden kann – und die Hitze des Sommers tatsächlich den Winter erwärmt.