Heißer Sand für heiße Winter
Es ist DIE Herausforderung für eine erfolgreiche Energiewende: das Speichern von erneuerbaren Energien. Denn Wind- und Solarenergie erzeugen zwar jede Menge Strom, allerdings nicht unbedingt dann, wenn er gebraucht wird. Solange im Sommer die Sonne scheint, brauchen Haushalte relativ wenig Energie. Anders sieht es in den kalten Monaten aus, wenn Verbraucher die Heizungen aufdrehen. Die grüne Energiewende wird also enorme Mengen an Speicherkapazität erfordern, um die überschüssige Energie aus dem Sommer im Winter bereitstellen zu können. In Finnland haben Forscher eine besonders simple und nachhaltige Methode entwickelt.
Wärme wird im Sandsilo monatelang gespeichert
Im finnischen Kankaanpää hat das Cleantech-Start-up Polar Night Energy einen innovativen Energiespeicher aus Sand in Betrieb genommen. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Mit dem im Sommer produzierten Überschussstrom aus Solar- und Windanlagen erhitzen die zwei dahinterstehenden Jungunternehmer Sand, mit dem ein vier Meter breiter, sieben Meter hoher und gut isolierter Stahltank gefüllt ist. Nach Angaben von Polar Night Energy wird der Sand mit Hilfe eines in der Mitte vergrabenen Wärmetauschers auf etwa 500 bis 600 Grad aufgeheizt. Bis zu acht Megawattstunden (MWh) können so für die sonnenarmen Wintermonate gewonnen werden – bei einer Nennleistung von 100 kW. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Dreipersonenhaushalt in Deutschland verbraucht etwa 3,5 MWh im Jahr. Das Unternehmen spricht von einem Wirkungsgrad von bis zu 99 Prozent und von der Fähigkeit, Wärme monatelang mit minimalem Verlust zu speichern.
„Als Material bietet Sand viele Vorteile: Er ist langlebig, kostengünstig und kann in kleinem Volumen viel Wärme bei einer Temperatur von etwa 500–600 Grad Celsius speichern.“
Markku Ylönen, CTO von Polar Night Energy
Der Sandsilo steht auf dem Gelände eines lokalen Fernwärmekraftwerks. Von dort aus wird die im Silo gespeicherte Wärme ins Fernwärmenetz eingespeist und weitergeleitet an umliegende private und öffentliche Gebäude wie Büros und Schwimmbäder. Die naheliegende Idee, die Wärme zurück in Strom zu wandeln, funktioniert hingegen nicht so effizient. Das Konstrukt taugt laut Unternehmensangaben ausschließlich zur Wärmespeicherung. Im kalten Finnland allerdings nicht ganz unwichtig: Hier entfallen 25 Prozent der verbrauchten Energie auf die Beheizung von Gebäuden.
„Es ist wirklich einfach, Strom in Wärme umzuwandeln", sagt Markku Ylönen, einer der Gründer von Polar Night Energy, „aber um Wärme in Strom umzuwandeln, braucht man Turbinen und komplexere Dinge. Solange wir die Wärme nur als Wärme nutzen, bleibt es wirklich einfach."
Energiespeicher aus dem Labor
Gleiches Ziel, andere Herangehensweise. Auch Forscher der TU Wien haben sich die Frage gestellt, wie sich Wärme jeglicher Art – auch die bei Industrieprozessen anfallende – zu einem späteren Zeitpunkt nutzen lässt. Die Wissenschaftler haben unlängst ein Verfahren patentiert, bei dem Borsäure in einem Reaktor durch Hitze in öliges und energiereiches Boroxid umgewandelt wird. Dabei wird Wasser freigesetzt. Fügt man dem in Tanks monatelang lagerbaren Boroxid wieder Wasser zu, läuft die chemische Reaktion umgekehrt ab, und die chemisch gespeicherte Wärmeenergie (70–200 Grad) wird wieder freigesetzt.
Mit Labortests wurde nachgewiesen, dass dieser Prozesskreislauf mehrfach wiederholt werden kann. Im nächsten Schritt wollen die Wiener Forscher mit Partnern aus der Industrie herausfinden, wie die Reaktortechnologie auf industrielle Maßstäbe hochskaliert werden kann – und die Hitze des Sommers tatsächlich den Winter erwärmt.