Meisterwerke unter der Erde

Von Carsten Paulun
Tunnel sind mehr als bloße Durchgangswege – sie verkörpern Ingenieurskunst und Kreativität. Vom dröhnenden Verkehr in Autotunneln bis zu den leisen Gleisen in Eisenbahntunneln, von bahnbrechenden Schiffstunneln bis zu den heimlichen Fluchtwegen zur unterirdischen Rettung – sie alle erzählen Geschichten von Fortschritt und Überwindung.
© Statens vegvesen/Vianova/Baezeni
Der höchstgelegene Tunnel
Meisterwerke unter der Erde© https://mysterioustibet.com/

In den majestätischen Höhen des tibetischen Hochlandes erstreckt sich der Fenghuoshan-Tunnel als ein architektonisches Meisterwerk und ingenieurtechnisches Wunder. Er ist zwar nur 1.336 Meter lang, liegt aber auf beeindruckenden 4.905 Metern über dem Meeresspiegel und ist somit der höchstgelegene Tunnel der Welt. Er gehört zur Strecke der 2006 eröffneten Lhasa-Bahn, die die Volksrepublik China mit dem autonomen Tibet verbindet.
Seine Konstruktion in der bis zu minus 40 Grad kalten, trockenen und sauerstoffarmen Luft erforderte innovative Methoden. Unter anderem wurde in die Baustelle im Laufe der Arbeiten ein Sauerstoffsystem integriert, das die Luft außerdem befeuchtet hat, um die überdurchschnittliche Staubentwicklung einzudämmen. So konnte die Vortriebsgeschwindigkeit von anfänglich zwei bis drei Meter pro Tag auf fünf bis acht Meter mehr als verdoppelt werden. Ein weiteres Problem beim Bau stellten die Winde dar, die durch den Tunnel fegten und Arbeiter teilweise einfach umstießen. Nicht umsonst heißt Fenghuoshan zu Deutsch „Windvulkan“.

Auch heute im Fahrbetrieb ist Sauerstoff ein wichtiges Thema. Um die Passagiere vor der Höhenkrankheit zu bewahren, sind die Züge der Lhasa-Bahn ähnlich wie Flugzeuge mit einem allgemeinen Sauerstoffsystem ausgestattet. Sollte dieses nicht ausreichen, ist jeder Sitzplatz zusätzlich mit einer individuellen Sauerstoffzufuhr ausgestattet.

Die Lhasa-Bahn ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass die Bahn die politische Kontrolle Chinas über die autonome Region Tibet erhöhe, die chinesische Einwanderung forciere und die Kultur Tibets damit verwässere.

Die längsten Tunnel

© Hannes Ortlieb (Wikimedia)

Im Reich der Tunnel ragen einige Bauten als wahre Giganten hervor. An der Spitze dieser unterirdischen Meisterwerke thront der Gotthard-Basistunnel, der seit seiner Eröffnung 2016 mit seiner imposanten Länge von 57 Kilometern die Welt in Staunen versetzt. Dieser Tunnel durchschneidet nicht nur die Schweizer Alpen Richtung Italien, sondern symbolisiert auch das Potenzial moderner Ingenieurskunst.

Kaum minder imposant ist der Seikan-Eisenbahntunnel in Japan. Im Jahr 1988 eröffnet, verbindet er unter Wasser mit seiner Länge von 53,8 Kilometern die Inseln Honshu und Hokkaido. In Europa schlägt der Eurotunnel, eröffnet 1994, mit seinen 50,5 Kilometern eine unterseeische Brücke zwischen Frankreich und Großbritannien. Der Yulhyeon-Eisenbahntunnel in Südkorea, eingeweiht 2016, erstreckt sich über 50,3 Kilometer und verbindet mit einer Schnellbahnlinie die Städte Mokpo und Gwangju.

Erbaut wurde die unterirdische Passage in Korea wie beispielsweise auch der Gotthard-Basistunnel und Teile des Eurotunnels mit der sogenannten Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode (NÖT). Bei diesem in den 1950er-Jahren entwickelten Bauverfahren wird der umgebende Gebirgsteil unter Beachtung geologischer und felsmechanischer Grundlagen als mittragendes Element in die Konstruktion mit einbezogen. NÖT reduziert die Baukosten erheblich, setzte sich daher schnell als favorisierte Tunnelbaumethode durch und wurde seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.

Ein voraussichtlich noch bis 2032 im Bau befindliches Meisterwerk ist der Brennertunnel, der als Alpendurchstoß den europäischen Schienenverkehr beschleunigen soll. Die anvisierte Streckenlänge liegt bei 64 Kilometern. Mit Verbindungs-, Versorgungs- und Rettungstunneln kommt das System sogar auf 230 Kilometer. Der Weg durch den Fels soll halb freigesprengt und halb durchbohrt werden. Der erwartete Aushub von 21 Millionen Kubikmeter Gestein würde reichen, um ein 420 Kilometer langes olympisches Sportschwimmbecken zu füllen. Kostenpunkt des Mega-Projekts: geschätzte zehn Milliarden Euro.

Meisterwerke unter der Erde© Kecko
Der älteste Tunnel
Meisterwerke unter der Erde© Moawiyah Ibrahim

In den kargen Hügeln von Khirbet ez-Zeiraqoun (Jordanien) verbirgt sich ein faszinierendes Geheimnis: eines der ältesten vom Menschen geschaffenen Tunnelsysteme der Welt. Archäologische Entdeckungen legen nahe, dass diese antiken Tunnel bereits vor mehr als 4.000 Jahren in den Fels geschlagen wurden. Sie zeugen von erstaunlicher Ingenieurskunst in einer Zeit, in der Werkzeuge noch zum allergrößten Teil aus Stein bestanden.

Laut historischen Aufzeichnungen hatten diese bis zu 100 Meter tiefen Tunnel einen klaren Zweck: Sie stellten die Wasserversorgung sicher. Noch heute rätselt die Wissenschaft, wie die Erbauer es geschafft haben, dass das Tunnelsystem nicht in sich zusammenfiel – drei Eingänge, eine Treppe und 200 Meter Tunnel gibt es heute noch.

Die Entdeckung von Khirbet ez-Zeiraqoun erinnert daran, dass unter der Erde oft die tiefsten Geheimnisse der Menschheitsgeschichte verborgen liegen. Diese vom Menschen geschaffenen Tunnel sind nicht nur bauliche Meisterwerke, sondern auch Fenster zu einer vergangenen Welt.

Der tiefste Tunnel

© Privat

Der Ryfylketunnel, Norwegens neuestes Ingenieursmeisterwerk, sticht als der tiefste Tunnel der Welt hervor: er liegt 292 Meter unter dem Meeresspiegel. Für den Straßenverkehr freigegeben wurde der 14,4 Kilometer lange Unterwassertunnel (auch das ein Weltrekord) im Jahr 2019. Der Tunnel ist Teil der norwegischen Nationalstraße 13 und verläuft unter dem Horgefjord zwischen der Stadt Stavanger und der Gemeinde Strand in Rogaland. Er ersetzt zwei Fähren.

Der Ryfylketunnel gilt trotz seiner tiefen Lage als einer der sichersten Tunnel weltweit, was vor allem an seinen zwei Röhren und einer Echtzeit-Radar-Überwachung liegt. Im Brandfall können die Menschen durch die alle 250 Meter vorhandenen Querschläge in die andere Röhre flüchten. Außerdem kann die Lüftung den Tunnel in Fahrtrichtung entrauchen. Um fast 300 Meter unter die Erde zu gelangen, hat der Tunnel ein Gefälle beziehungsweise eine Steigung von 7 %, was der zulässigen Obergrenze im Straßentunnelbau entspricht.

Im Vorfeld wurde das Bauterrain mit Computern vermessen und analysiert. Die dabei gewonnenen Daten steuerten auch die Bohrmaschinen, die sich durch das Gestein fraßen. Die weitgehend automatisierten Prozesse sorgten dafür, dass die Bauzeit mit rund sechs Jahren ebenso im Rahmen blieben wie die Baukosten von umgerechnet 720 Millionen Euro.

Ein ebenso sinn- wie reizvolles Feature ist die LED-Beleuchtung des Tunnels, die mit Sensoren an den Ausgängen verbunden ist und sich so ans Außenlicht anpassen kann. So können sich die Augen der Benutzer besser an den Lichtwechsel bei der Ein- und Ausfahrt gewöhnen. Das Lichtkonzept dient außerdem dazu, den Nutzern die eintönige, 15 bis 20 Minuten dauernde Fahrt durch den Tunnel angenehmer und interessanter zu machen. Dafür wurde auch auf halber Strecke eine zu durchfahrende Kuppelhalle integriert, die ebenfalls spannungsvoll beleuchtet ist.

Lange wird der Ryfylketunnel seine Rekorde übrigens nicht mehr halten. Nicht weit entfernt entsteht der Boknafjord-Tunnel, der 2029 eröffnet werden soll. Er wird 27 Kilometer lang und bis zu 392 Meter tief unter dem Meeresspiegel verlaufen und dann der längste und tiefste Unterwasser-Straßentunnel der Welt sein.

Meisterwerke unter der Erde© T. Holme (Wikimedia)
Tunnel für Schiffe
  • Canal du Midi mit dem Tunnel du Malpas, dem ältesten Kanaltunnel der Welt
    Canal du Midi mit dem Tunnel du Malpas, dem ältesten Kanaltunnel der Welt © VNF, Victor Tonelli
  • Geplanter Stad-Schiffstunnel in Norwegen
    Geplanter Stad-Schiffstunnel in Norwegen © Kystverket / Norwegian Coastal Administration
  • Länge: 1,7 Kilometer, Breite: 36 Meter, Höhe: 37 Meter
    Länge: 1,7 Kilometer, Breite: 36 Meter, Höhe: 37 Meter © Kystverket / Norwegian Coastal Administration

Tunnel für Fußgänger, Autos und Bahnen gehören zu unserem Mobilitätsalltag. Aber für Schiffe? Auch dafür gibt es entsprechende Bauwerke auf unserem Planeten. Beispielsweise den Tunnel du Malpas in Frankreich. Er wurde bereits 1679 in nur acht Tagen erbaut und ist damit verschiedenen Quellen zufolge der älteste Kanaltunnel der Welt. Auf einer Länge von etwa 165 Metern durchschneitet seine Röhre einen Hügel zwischen dem Fluss Hérault und dem Canal du Midi.

In Frankreich befindet sich auch der mit 7,1 Kilometern längste Kanaltunnel der Welt. Allerdings ist der Rove-Tunnel seit einem Einsturz im Jahr 1963 gesperrt. In Großbritannien gibt es ebenfalls zwei über einen Kilometer lange Kanaltunnel. Alle diese Bauwerke sind für flache und schmale Schiffe gebaut.

Ein deutlich größeres Format soll der geplante Stad-Schiffstunnel in Norwegen bekommen. Mit einer Länge von 1,7 Kilometern, einer Höhe von 37 Metern und einer Breite von 36 Metern soll dieser Tunnel die Umfahrung des mit bis zu 30 Meter hohen Wellen gefährlichen Vestkapp ermöglichen und die Reisezeit deutlich verkürzen. Nach Angaben der norwegischen Küstenverwaltung können 81 Prozent des heutigen Schiffsverkehrs um das Vestkapp den Tunnel nutzen, sogar die Kreuzfahrtschiffe der legendären Hurtigruten. Allerdings wird der Baustart des Milliardenprojekts immer wieder verschoben. Der technische Aufwand für den Bau durch harten Gneisfels ist enorm. Angedacht ist ein gemischtes Bohr- und Sprengverfahren. Alles für den Bau erforderliche Material muss aufgrund der unzureichenden Straßen vor Ort auf dem Seeweg angeliefert werden. Außerdem muss der Tunnel während der Bauphase durch eine zu errichtende Felswand oder möglicherweise Senkkästen wasserfrei gehalten werden.

Der Kult-Tunnel

© Tama66 (Pixabay)

Der St. Pauli Elbtunnel, nur ein paar Schritte von Hamburgs berüchtigtster Partymeile, der Reeperbahn, entfernt, ist ein besonderes Stück Hamburger Geschichte. Das gilt nicht nur hinsichtlich seiner Bauweise: Container-große Aufzüge am Nord- und Südufer der Elbe fahren die Nutzer hinunter zu den beiden Röhren, die den Strom unterqueren. 4.400 Arbeiter haben den 426 Meter langen Tunnel zwischen 1907 und 1911 im Schildvortriebsverfahren gebaut, bei dem eindringendes Wasser mithilfe von Druckluft aus dem Bauabschnitt ferngehalten wurde.

Der Tunnel wurde nötig, um die 25.000 Hafen- und 20.000 Werftarbeiter, die in Quartieren am Nordufer wohnten, schnell in den südlich der Elbe gelegenen Hafen zu bringen. Nach der Eröffnung nutzten jährlich bis zu 19 Millionen Menschen diese unterirdische Elbquerung. Die Nutzerzahlen spiegeln nicht nur die hohe Nachfrage nach dieser einzigartigen Verkehrsverbindung wider, sondern auch die wichtige Rolle, die der St. Pauli Elbtunnel im städtischen Leben spielte.

Mit seiner Bauzeit von nur vier Jahren galt der St. Pauli Elbtunnel damals als Pionierleistung. Seine charakteristischen Kuppelgebäude und die gusseisernen Fahrstühle sind nicht nur architektonische Meisterwerke, sondern auch Symbole für Hamburgs industriellen Fortschritt. Die Passage des Elbtunnels war für Fußgänger und Radfahrer kostenlos, das gilt auch heute noch.

Doch der St. Pauli Elbtunnel hat ein Problem: Er liegt zu flach. Ursprünglich trennten ihn drei Meter Elbboden und Schlick vom Elbwasser. Bei der Elbvertiefung 1981/82 wurde diese Überdeckung auf einen Meter reduziert und der Tunnel mit einer Stahlbetonkonstruktion geschützt. Mehr als 10,60 Meter Wassertiefe sind seitdem beim Überfahren nicht möglich – Kreuzfahrtschiffe wie die Queen Mary 2 (10,30 Meter Tiefgang) können das Kreuzfahrtterminal an der HafenCity daher nur bei Hochwasser anlaufen. Für die heutigen Containerriesen mit 16 Meter und mehr Tiefgang hat Hamburg die Waltershofer Häfen ausgebaut. Sie liegen vor dem St. Pauli Elbtunnel.

Meisterwerke unter der Erde© 2857440 (Pixabay)

Der Kreiseltunnel

© Ólavur Frederiksen/faroerphoto.com

Der Eysturoy-Tunnel auf den Färöer-Inseln ist der weltweit erste Unter­wasser­tunnel mit einem submarinen Kreisverkehr. Eine weitere Besonderheit des Baukunstwerks sind die Licht- und Klanginstallationen färingischer Künstler. Der Kreisel verbindet 72,6 Meter unter dem Fjord Skálafjørður drei Tunnelröhren miteinander. Das 360 Millionen teure und 11 Kilometer lange Tunnelsystem halbiert die Fahrzeit beispielsweise von der Inselhauptstadt Tórshavn im Süden zum wichtigen Fischereihafen Klaksvík im Norden von bisher einer Stunde auf 30 Minuten. Nach nur drei Jahren Bauzeit sind Autofahrer seit 2020 zudem nicht mehr auf Fähren angewiesen, die bei gar nicht seltenem Schlechtwetter häufig ausfielen.

Der atemberaubendste Tunnel
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Nichts für Angstpatienten: eine schwindelerregende Fahrt auf der Guoliang Tunnel Road

In den entlegenen Bergen der chinesischen Provinz Henan gab es keine zuverlässige und schnelle Verbindung zwischen dem Dorf Guoliang und dem Umland. Außer den Bewohnern interessierte dies aber niemanden. So beschloss Dorfoberhaupt Shen Mingxin im Jahr 1972, den Anschluss an die Zivilisation selbst herzustellen. Er rekrutierte 13 Männer, die ihm beim Bau der Guoliang Tunnel Road behilflich sein sollten. Die Männer arbeiteten sich mit einfachsten Mitteln durch das harte Gestein der Berge. Dabei soll es auch zu mehreren tödlichen Unfällen gekommen sein.

Aber nicht nur deswegen taucht die Guoliang Tunnel Road regelmäßig in Top-10-Listen der gefährlichsten Straßen der Welt auf. Auch die Nutzung ruft wegen ihrer steilen Abhänge, zahlreicher enger Kurven und des Mangels an Geländern Angstgefühle hervor. Schon kleine Fahrfehler können schlimme Folgen haben. Ob tatsächlich schon einmal ein Fahrzeug in die Tiefe gestürzt ist, ist hingegen nicht belegt. Und das Gefahrenpotenzial scheint die Menschen eher anzuziehen als abzuschrecken. Der Thrill und die atemberaubenden Ausblicke locken jedes Jahr Hunderttausende Touristen auf die Guoliang Tunnel Road.

Trotz der Gefahren ist die Guoliang Tunnel Road ein beeindruckendes Beispiel für menschlichen Mut und Entschlossenheit. Die Straße steht als Denkmal für die Zusammenarbeit der Dorfbewohner, die mit einfachsten Werkzeugen und großer Hartnäckigkeit diese einzigartige Verbindung zu ihrer Gemeinschaft geschaffen haben.

Der Fluchttunnel
Meisterwerke unter der Erde
Gedenken an den Tunnel 57 in der Bernauer Straße© N-Lange.de

In den düsteren Zeiten des Kalten Krieges wurde Berlin zur symbolischen Frontlinie zwischen Ost und West. Mitten in dieser geteilten Stadt entstanden nach dem Mauerbau bis zu 70 Fluchttunnel. Der bekannteste ist der Tunnel 57. Anders als konventionelle Tunnel repräsentierte dieser nicht den Fortschritt der Technologie, sondern die menschliche Sehnsucht nach Freiheit.

Zwischen April und Oktober 1964 gruben 35 Westberliner Fluchthelfer von der Bernauer Straße 97 im Westteil der Stadt einen 145 Meter langen und 12 Meter tiefen Tunnel zu einem Toilettenhaus im Hof der Strelitzer Straße 55 in Ost-Berlin. Unter den Helfern befand sich auch der spätere Astronaut Reinhard Furrer. Ihr Ziel: Menschen aus dem unterdrückten Osten in den freien Westen bringen.

Tunnel 57 war nicht nur ein physischer Durchgang, sondern auch ein Symbol des Widerstands und der Überwindung politischer Grenzen. Der Bau dieses Tunnels wurde durch den unerschütterlichen Wunsch nach Freiheit und Solidarität angetrieben. Seine Existenz erinnert uns daran, dass manchmal die einfachsten Technologien die kraftvollsten Ausdrücke menschlicher Entschlossenheit sind.

Tunnel 57 war einer von drei Tunneln in der Bernauer Straße, durch die Menschen aus Ost-Berlin die Flucht gelang. Den Namen Tunnel 57 bekam er durch die Anzahl der Menschen, die durch ihn am 3. und 4. Oktober 1964 fliehen konnten, bevor Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR das System entdeckten. Ursprünglich war die Flucht von 120 Personen geplant.

Der Modultunnel

© Femern A/S

Ein kühnes Projekt erregt die Aufmerksamkeit Europas: Der im Bau befindliche Fehmarnbelttunnel, der die Ostsee zwischen Deutschland und Dänemark durchqueren soll. Mit einer beeindruckenden Länge von 18 Kilometern wird dieser Absenktunnel nicht nur eine wichtige Straßen- und Schienenverbindung zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland schaffen, sondern auch als eines der längsten Unterwasserbauwerke der Welt in die Geschichte eingehen. Der Fehmarnbelttunnel soll die Fahrzeit von Kraftfahrzeugen gegenüber dem Fährtransport von 45 auf 10 Minuten und die Reisezeit per Zug zwischen Hamburg und Kopenhagen von 5 auf 2,5 Stunden verkürzen.

Die Baumethode des Absenktunnels, bei der vorgefertigte Tunnelteile auf den Meeresgrund abgesenkt und dort verbunden werden, stellt eine innovative Technik dar. Jedoch stehen den Ingenieuren bedeutende Herausforderungen bevor, angefangen von der Sicherstellung der Stabilität des Meeresbodens bis hin zur Minimierung von Umweltauswirkungen. Nach seiner Fertigstellung 2029 soll der Fehmarnbelttunnel von täglich bis zu 10.000 Pkw und 1.800 Lkw und Bussen sowie 111 Zügen genutzt werden und somit zu einem zentralen Element des europäischen Nord-Süd-Verkehrsnetzes werden.

Meisterwerke unter der Erde
Visualisierung von Tunnelportal und Rampe in Puttgarden© Femern A/S
Meisterwerke unter der Erde
Die deutsche Baustelle auf der Insel Fehmarn. Bei Puttgarden laufen die Arbeiten am deutschen Portal. Der Bau von zwei der drei Brücken, die für die neue Linienführung der B 207 (E47) und der Bahntrasse notwendig sind, wird vorbereitet© Femern A/S
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Visualisierung des Absenkens und Verbindens der Tunnelelemente© Femern A/S
Die Tunnelstadt
Meisterwerke unter der Erde© Anadolu Agency

Unter den staubigen Ebenen der türkischen Stadt Midyat erstreckt sich ein faszinierendes Untergrundlabyrinth, das eine vergessene Welt offenbart. Diese unterirdische Stadt, deren Ursprünge bis ins Jahr 200 nach Christus zurückreichen, diente einst Christen als Zufluchtsort und Schutz vor den Römern.

Der unterirdische Komplex von Midyat erstreckt sich über mehrere Ebenen und beherbergt Wohnbereiche, Lagerstätten und sogar Kirchen. Zwischen 60.000 und 70.000 Menschen – so schätzen Archäologen – sollen hier einst gelebt haben.

Die Gassen und Räume der unterirdischen Stadt zeugen von einer einzigartigen Baukunst, die es ermöglichte, inmitten des Felsens ein lebenswertes Umfeld zu schaffen. Geheimnisvoll und beinahe vergessen, wird die unterirdische Stadt von Midyat heute als historisches Erbe betrachtet. Ihr Erhalt und die Öffnung für Besucher ermöglichen einen Blick in eine Welt, in der Menschen ihre Lebensweise den Herausforderungen der Zeit anpassten. Midyats unterirdische Stadt bleibt somit nicht nur ein beeindruckendes archäologisches Relikt, sondern auch ein Fenster zu den kreativen Lösungen vergangener Generationen für den Schutz und Erhalt ihres Lebensraums.

Der schwebende Tunnel

© Statens vegvesen

Beim Ausbau der Europastraße 39 zwischen Kristiansand im Süden und Trondheim im Norden hat sich Norwegen viel vorgenommen. Bis 2050 müssen dazu gut 100 Brücken und 40 Tunnel gebaut werden. Eine dieser Querungen betrifft den Sognefjord, mit 1.308 Metern der tiefste Fjord Europas. Diskutiert wird neben zwei Brückenlösungen ein einzigartiger Tunnel.

Da dieser aufgrund der Tiefe nicht am Meeresboden gebaut werden kann, denken die Ingenieure über einen schwebenden 3.700 Meter langen Tunnel 20 Meter unter der Wasseroberfläche nach. So können Kreuzfahrt- und Frachtschiffe auch weiterhin den Sognefjord befahren. Die beiden Tunnelröhren sollen dabei an schwimmenden Hohlkörper-Plattformen aufgehängt werden. Neben Pkw und Lkw sollen auch Fußgänger und Radfahrer den Sognefjord-Tunnel nutzen können.

Auch der dann tiefste und längste Straßentunnel der Welt entsteht im Zuge des E39-Ausbaus.

Meisterwerke unter der Erde© Statens vegvesen
Die imposantesten natürliche Tunnelsysteme
Meisterwerke unter der Erde
Flächenmäßig die größte Höhlenkammer der Welt: die Sarawak Chamber mit 380 km Gesamtlänge© yusnizam (iStock)

Nicht nur Menschen können Tunnel bauen, die Natur kann es schon deutlich länger und – zugegeben – auch eindrucksvoller. Die Tunnel der Natur heißen Höhlen, und als älteste gelten die Jenolan-Höhlen in Australien mit einem Alter von 340 Millionen Jahren. Den Rekord der längsten Höhle halten aktuell die Mammoth Caves in Kentucky (USA). Bislang wurden dort mehr als 600 Kilometer unterirdische Wege kartografiert. Die Nummer zwei ist mit 311 Kilometern Länge das Sistema Sac Actun auf der Yucatán-Halbinsel in Mexiko. Es ist gleichzeitig die längste Unterwasserhöhle der Welt. In Georgien liegt die tiefgehendste Höhle der Welt. Die Weryowkina-Höhle erstreckt sich vom 2.300 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Eingang 2.212 Meter hinunter in die Tiefe. Als flächenmäßig größte Höhlenkammer gilt die Sarawak Chamber, die zum gewaltigen Mulu-System (380 km Gesamtlänge) auf der indonesischen Insel Borneo gehört. Die wohl imposanteste unterirdische Welt bietet das Sơn-Đoòng-Höhlensystem. Zwei riesige Fenster, mindestens 150 einzelne Höhlen mit Seen, Flüssen und einem eigenen Dschungel sowie der größte Höhlengang der Welt (250 m hoch, 15 m breit und 9 km lang) bilden beste Fotokulissen.

Speziallager für Tunnelbohrmaschinen

Im modernen Tunnelbau kommen Tunnelbohrmaschinen mit zum Teil gewaltigen Dimensionen zum Einsatz. Bei einem Bohrkopfdurchmesser von bis zu 20 Metern sind leistungsstarke und zuverlässige Wälzlagersysteme gefordert. Die Motion Technology Company Schaeffler bietet solche Sonderanfertigungen an. Zu den Aufgaben des Hauptlagers gehört es, den rotierenden Bohrkopf der Maschine aufzunehmen, die enormen Vorschubkräfte abzufangen sowie die gewaltigen Kippmomente abzustützen. Durch die unterschiedlichen Gesteinsformationen wechseln die Betriebsbedingungen und damit die Belastungen der bis zu 30 Tonnen schweren Hauptlager ständig.

Nach einem oft mehrmonatigen Einsatz werden Tunnelbohrmaschinen daher aufwendig revidiert, Komponenten wie die Lagerungen ausgetauscht. Da die Lieferzeit eines neuen, speziell angefertigten Lagers bis zu zwei Jahre in Anspruch nimmt, ist die Aufbereitung eine hochinteressante Alternative. Die Wiederaufbereitung bei den Spezialisten der Schaeffler Industrial Remanufacturing Services AG & Co. KG in Wuppertal spart bis zu 90 Prozent Zeit, 60 Prozent der Kosten und bis zu 90 Prozent CO2-Emissionen ein.

Meisterwerke unter der Erde