Teamwork im Antriebsstrang
Dr. Kolke, auf den Punkt: Was sind die Vorteile eines Hybridantriebs gegenüber einem rein elektrischen oder einem rein verbrennungsmotorischen Antrieb?
Dr. Reinhard Kolke: Hier muss man zwischen Plug-in und Mild- beziehungsweise Vollhybriden unterscheiden. Beim Plug-in-Hybrid ermöglicht es die Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroantrieb mit einem ausreichend dimensionierten Akku, einen großen Teil der täglichen Wegstrecken – etwa das Pendeln zur Arbeit – rein elektrisch zurückzulegen. Gleichzeitig lässt es der Benziner oder Diesel an Bord auch zu, längere Strecken ohne Ladestopp zu bewältigen. Damit eignet sich der Plug-in-Antrieb für alle, die neben kürzeren, innerstädtischen Wegen häufiger auch Langstrecken bewältigen müssen. Andererseits ist er auch für diejenigen ideal, die zwar vorrangig rein elektrisch fahren wollen, sich aber noch nicht trauen, komplett zur Elektromobilität zu wechseln. Als Mild- oder Vollhybrid ausgelegt hilft die Technik dagegen vor allem dabei, den Verbrauch des Verbrennungsmotors zu senken, ohne dass der Fahrer sich umstellen oder zum Ladekabel greifen muss. In Kombination mit der Hybridtechnik hat der Benziner in vielen Fällen dem reinen Diesel als sparsamster verbrennungsmotorischer Antrieb schon den Rang abgelaufen.
„Auch Hybridsysteme werden von der rasanten Batterieentwicklung profitieren.“
Viele Menschen halten den reinen Elektroantrieb für das einzig probate Mittel, die klimaschädlichen Emissionen in den Griff zu bekommen. Sind andere Antriebsformen wie der Hybridantrieb damit tot?
Mit grünem Strom betrieben hat das batterieelektrische Auto einen kaum aufzuholenden Emissionsvorsprung gegenüber den Antriebsformen, bei denen noch ein Verbrennungsmotor involviert ist. Zudem wird die durch ein E-Auto verursachte CO₂-Belastung mit einem wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien im Strommix immer besser, ohne dass ich ein neues Fahrzeug anschaffen muss. Allerdings hat nicht jeder Kunde schon heute die Möglichkeit und den Wunsch, auf ein reines Elektroauto umzusteigen – sei es, weil er keine Lademöglichkeit hat, weil er skeptisch ist oder weil ihn die Kosten ausbremsen. Deswegen werden wir auch mittelfristig noch neue Benziner und Diesel auf dem Markt sehen. Die Hybridisierung kann hier dazu beitragen, die heutzutage ohnehin schon äußerst effizienten Verbrennungsmotoren noch sparsamer zu machen.
Wenn wir bei hybriden Antrieben zwischen Plug-in-Hybriden, Vollhybriden und Fahrzeugen mit Range Extender unterscheiden — welche Form hat Ihrer Ansicht nach die größeren Chancen und warum?
Die Techniken haben jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile. Der Plug-in-Hybrid hat seine Berechtigung und wird weiterhin eine große Rolle spielen, da er vielen Kunden die Chance gibt, einen großen Teil ihrer täglichen Fahrten rein elektrisch zu absolvieren – vor allem in Kombination mit günstigem Strom aus Photovoltaikanlagen ist das eine attraktive Lösung. Vollhybride und Range-Extender-Modelle verfolgen im Grunde ein und dasselbe Ziel: Der Komfort des Fahrens mit Benzin und Diesel, also kurze Tankstopps und große Reichweiten, soll erhalten bleiben, gleichzeitig Effizienzvorteile genutzt und die Umweltbelastung weiter reduziert werden. Hier werden sicher die tatsächlichen Kundenbedürfnisse und das Produktportfolio von Herstellern und Zulieferunternehmen entscheiden, wie der E-Motor bestmöglich eingesetzt werden kann. Mich würde es nicht wundern, wenn die Range-Extender-Technik zukünftig auch wieder häufiger zum Einsatz kommt, weil diese Kombination dank des reinen Elektroantriebs auf ein komplexes Getriebe verzichten kann und der Verbrennungsmotor immer im optimalen Bereich läuft.
Ist der Hybridantrieb in allen Fahrzeugklassen und in allen Märkten sinnvoll?
Die Mild- oder Vollhybridisierung kann im Grunde in jedem Fahrzeug helfen, den Verbrennungsmotor noch sparsamer und damit sauberer zu machen. Der Spareffekt ist dann am größten, wenn möglichst oft mit Unterstützung des E-Antriebs beschleunigt und durch Rekuperation gebremst wird, also vor allem im Stadtverkehr. Dabei denken viele zunächst an kleine Fahrzeuge und Downsizing-Motoren, aber Hybridisierung hat in allen Fahrzeugklassen Sinn. Denn während in Europa Ober- und Luxusklasse meist für Langstreckenfahrten eingesetzt werden, ist das globale Bild in den großen Megacitys ganz anders. Schauen Sie nach Peking, Mumbai oder Lima, stellen Sie fest, dass hier viele große, schwere Autos unterwegs sind, die nur selten die Stadtgrenzen verlassen. Während Sie mit etwas Glück München in 20 Minuten durchqueren, legen Sie in Peking in dieser Zeit höchstens ein paar Kilometer zurück. Die Strecken im Stadtverkehr sind in anderen Regionen also deutlich größer, und bei Stop-and-Go spielt der Hybridantrieb seine Vorteile auf jeden Fall noch stärker aus.
Der global agierende Technologiekonzern Schaeffler hat ein Powertrain-Szenario erstellt. Demnach verfügen im Jahr 2030 rund 40 Prozent aller neu hergestellten Fahrzeuge ausschließlich über einen (oder mehrere) Elektromotoren, weitere 40 Prozent über einen Hybridantrieb und 20 Prozent nur über einen Verbrennungsmotor. Das zeigt, dass der Verbrennungsmotor mittelfristig global gesehen noch immer eine große Rolle spielen wird. Wenn wir nur die Emissionen betrachten – eine gute oder schlechte Nachricht?
Diese Einschätzung deckt sich sehr gut mit dem Wettbewerbsumfeld. Natürlich liegen die lokalen Emissionen des Elektroantriebs bei null. Und wenn der Strom, mit dem die Batterien geladen werden, aus regnerativen Energiequellen stammt, fallen auch keine CO₂-Emissionen an. Aber moderne Benzin- und Dieselmotoren können sich mit einer guten und professionell applizierten Abgasnachbehandlung auch bei den lokalen Abgasen sehen lassen. Allem Fortschritt zum Trotz: Ganz auf null lassen sich Emissionen inklusive CO2 allerdings nicht drosseln. Aber gerade in der globalen Perspektive ergibt es Sinn, auch den Verbrenner in Bezug auf Emissionen und Effizienz weiterzuentwickeln. Jedes Neufahrzeug mit Verbrennungsmotor wird im Vergleich zum weltweiten Fahrzeugbestand, der zu großen Teilen aus älteren Benzinern und Dieseln mit deutlich schlechteren Abgaswerten besteht, zu einer deutlichen Minderung der Schadstoffe beitragen. Zudem können synthetische und Bio-Kraftstoffe wie der Dieselersatzkraftstoff HVO100 dazu beitragen, auch den Bestand an Verbrennungsmotoren klimafreundlicher zu machen. Andere Emissionen wie Reifen- und Bremsenabrieb werden uns dagegen unabhängig vom Antrieb beschäftigen.
1,07 Mio.
batterieelektrische Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sowie Plug-in-Hybride (PHEV) wurden weltweit im Januar 2024 zugelassen. Das ist ein Plus von 63 % gegenüber dem Vorjahresmonat und entspricht einem Marktanteil von 16 % an den Neuzulassungen. Besonders stark wächst der Bereich der PHEV (+91 %). Wachstumstreiber ist Fernost und hier insbesondere China, wo bereits viele PHEV-Modelle mit Reichweiten von 200 Kilometer auf dem Markt sind.
Quelle: autovista24
Sehen Sie Entwicklungen oder Maßnahmen, die für eine signifikante Verschiebung der prognostizierten Verteilung sorgen könnten?
Einen großen Einfluss auf den Hochlauf der E-Mobilität hat sicher die Gesetzgebung. Aktuell gehen wir davon aus, dass in der EU ab 2035 keine neuen Verbrenner für fossile Treibstoffe mehr zugelassen werden. Global betrachtet gibt es aber kaum weitere Länder, die ein ähnlich striktes Vorgehen verfolgen. Und gerade in den beiden größten Märkten, China und die USA, müssen wir die politische Entwicklung genau beobachten. Ein Kurswechsel der jeweiligen Regierung kann der E-Mobilität auf diesen Märkten einen gehörigen Dämpfer verpassen. Wir müssen so ehrlich sein, dass fehlende Planungssicherheiten für neue Antriebe auch Risiken für die Industrie darstellen.
Ist der Hybridantrieb technologisch bereits zu Ende entwickelt oder erwarten Sie noch deutliche Verbesserungen?
Hybridfahrzeuge sind mit die kompliziertesten Autos, die entwickelt wurden. Sie haben vor allem beim Vollhybrid und beim Plug-in im Grunde zwei komplette Antriebsstränge in einem Auto vereint. Und die müssen nicht nur separat reibungslos funktionieren, sondern auch das Zusammenspiel muss passen. Die Technik ist inzwischen ziemlich weit ausgereift, aber wie bei reinen Verbrennungsmotoren auch, lassen sich sicher immer weitere Optimierungen vornehmen. Zudem werden Hybridantriebe von der rasanten Batterieentwicklung profitieren.
Hybrid ist nicht gleich Hybrid
Im Automobilbau meint der Begriff Hybridantrieb die Kombination von Verbrennungsmotor und Elektromotor. Dabei kommen unterschiedliche Varianten zum Einsatz.
Bei einem Mildhybrid unterstützt ein kleiner Elektromotor den Verbrennungsmotor. Dieser Elektromotor ist jedoch nicht in der Lage, das Fahrzeug allein anzutreiben. Stattdessen entlastet er den Benzin- oder Dieselmotor beim Beschleunigen und senkt so den Kraftstoffverbrauch. Beim Bremsen wird der Elektromotor zum Generator und gewinnt Energie zurück, die als Strom in der Batterie gespeichert wird.
Im Gegensatz zum Mildhybrid kann ein Vollhybrid rein elektrisch fahren, jedoch nur über kurze Strecken und mit begrenzter Geschwindigkeit. Der E-Motor ist leistungsstärker, die Batterie größer. Vollhybride sind sparsamer als Mildhybride.
Ein Plug-in-Hybrid-Fahrzeug verfügt über einen noch stärkeren E-Motor und eine noch größere Batterie, die auch über eine externe Stromquelle aufgeladen wird. Plug-in-Hybride können längere Strecken rein elektrisch zurücklegen.
Bei einem Range-Extender treibt der Verbrennungsmotor nicht direkt die Räder an, sondern einen Generator zur Stromerzeugung. Da der Verbrennungsmotor bei konstanten Drehzahlen stets im optimalen Wirkungsgrad arbeitet, sollen Emissionen reduziert werden. Je nach Konzept verfügen Range-Extender-Fahrzeuge über größere Batterien, die wie bei einem Plug-in-Hybriden an der Steckdose geladen werden oder über kleinere, wie bei einem Mild- oder Vollhybriden.
Mit welchen bauarttypischen Stärken und Schwächen fallen Hybridautos im ADAC-Testzentrum auf?
Der Elektro-Part im Hybrid bringt Vorteile mit sich: Das unmittelbar anliegende Drehmoment des E-Motors unterstützt den Verbrenner genau in den Bereichen, die lasttechnisch eher ungünstig für Diesel und Benziner sind, also zum Beispiel beim Anfahren. Das kann den Verbrauch spürbar senken. Die Elektrotechnik selbst ist im Test weitgehend unauffällig: Weder bei den Motoren noch bei der Leistungselektronik oder den Akkus sind uns Probleme bei Hybriden aufgefallen. Allerdings erhöht sich je nach Hybridsystem das Fahrzeuggewicht teils deutlich gegenüber einem reinen Verbrenner. Insbesondere bei Plug-in-Hybriden mit relativ großem Akku kommen da auch mal ein paar Hundert Kilogramm zusammen. Damit dann das Mehrgewicht nicht zu einem Verbrauchsnachteil wird, ist es wichtig, den Plug-in-Hybrid häufig aufzuladen und sinnvoll zu nutzen. Wer dieses Sparpotenzial eines schweren Plug-ins nicht nutzen kann, sollte vielleicht lieber zu einem Voll- oder Mildhybriden greifen – oder zu einem Elektroauto, das sein ebenfalls hohes Gewicht im Alltag besser kompensieren kann.
10x
größer als noch 2023 könnte der weltweite Markt für Hybridfahrzeuge (Plug-in-, Mild- und Vollhybrid) im Jahr 2032 sein, das prognostiziert das Marktforschungsinstitut Precedence Research. Der Umsatz würde demzufolge von 513 Milliarden auf 5 Billionen US-Dollar anwachsen.
Sind Hybridfahrzeuge durch das Teamwork aus E- und Verbrennerantrieb pannenanfälliger als Fahrzeuge, die nur auf einen Antrieb setzen?
Grundsätzlich ist es erstmal so, dass bei einem Fahrzeug, in dem mehr Bauteile vorhanden sind, auch die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass eins kaputtgeht. Der Vorteil dabei ist, dass die E-Technik, wie zuvor schon erwähnt, relativ haltbar ist und nur selten Probleme macht. Kommt es zu einer Panne, muss zumindest beim Plug-in-Hybrid extra geschultes Personal mit Hochvolt-Kenntnissen ran – wie auch bei reinen Elektroautos. Ein Grund übrigens, warum wir alle unsere Straßenwacht-Fahrer und -Fahrerinnen im Umgang mit elektrifizierten Fahrzeugen schulen. Nicht verschweigen können wir, dass in unserer Pannenstatistik die 12V-Starterbatterie in 64 Prozent der Fälle die Pannenursache waren, hier benötigen die Hersteller noch Unterstützung.