Einmal abheben, bitte!
© DLR
Juli 2023

Einmal abheben, bitte!

Von Volker Paulun (mit Material vom DLR)
Drohnen und hoch automatisierte Flugtaxis haben das Potenzial, den urbanen Verkehr mit neuen Möglichkeiten zu bereichern. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir in einigen Jahren die sogenannte Urban Air Mobility (UAM) tatsächlich nutzen können? Das Forschungsprojekt HorizonUAM des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat sich auf die Suche nach Antworten begeben.

Schnell über den Stau hinwegfliegen, um den wichtigen Termin zu erreichen – wer von uns hat nicht schon davon geträumt. Mit einem Lufttaxi können solche Mobilitätsträume wahr werden. Dafür bedarf es aber einiger wichtiger Bausteine wie Verfügbarkeit, Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit.

Um sich ein umfassendes Bild zu machen, entwickelten die Forschenden des Projekts HorizonUAM eine Gesamtsystemsimulation sowie eine Methodik zur Prognose der weltweiten Nachfrage nach UAM-Verkehrsdiensten. Diese Methode wandten sie auf 990 städtische Gebiete mit jeweils mehr als 500.000 Einwohnern weltweit an. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Nachfrage mit einer steigenden Zahl an Haltepunkten und deren leichter Erreichbarkeit klar zunimmt“, berichtet Dr. Bianca Schuchardt vom DLR-Institut für Flugführung und Projektleiterin von HorizonUAM. „Bezahlbare Preise spielen dabei eine entscheidende Rolle.“

Über 200 Städte weltweit sind UAM-geeignet

Anhand der Methodik identifizierten die Forschenden mehr als 200 Städte weltweit als „UAM-geeignet“. Neben Metropolen wie New York und Tokio ist darunter auch Hamburg. Wichtige Faktoren sind dabei unter anderem die Bevölkerungszahl, die Ausdehnung der Stadt sowie das Bruttoinlandsprodukt.

UAM Air Taxi
Die DLR-Studie sagt, dass Lufttaxis den Mobilitätsmix in vielen Metropolen auf der Welt sinnvoll erweitern könnten© iStock

Auch die Kosten nahmen die Forschenden unter die Lupe. Dafür entwickelten und untersuchten sie verschiedene Einsatzszenarien: den innerstädtischen Lufttaxi-Verkehr, Flughafen-Shuttles und den Regionalverkehr. Das Ergebnis: Um die Betriebskosten zu decken und gleichzeitig einen Gewinn zu erzielen, müssten Betreiberinnen und Betreiber für Lufttaxis und Shuttle-Services je nach Gegebenheiten Preise in einer Spanne von vier bis acht Euro pro Kilometer veranschlagen.

Pilot? Muss nicht sein!

Wie sollte ein Vehikel, das einen Personentransport im städtischen Luftraum von A nach B ermöglicht, idealerweise aussehen? Auch dieser Frage gingen die Forschenden im Projekt HorizonUAM nach. „Wir haben verschiedene Vorentwürfe für senkrecht startende Lufttaxis angefertigt. Zu einem der Konzepte mit sechs schwenkbaren Rotoren wurde auch ein detailliertes Kabinendesign angefertigt, das wir hinsichtlich Sicherheit, Passagierkomfort und Betriebsabläufen für den UAM-Betrieb optimierten“, erklärt Schuchardt. In einem am DLR-Standort Braunschweig neu aufgebauten Kabinensimulator wurde der Flug in einem Lufttaxi für 30 Probandinnen und Probanden mittels Mixed-Reality erlebbar durchgespielt. Dabei zeigten sich die Probanden sehr offen gegenüber einem ferngeführten Lufttaxiflug ohne Piloten an Bord. Im Falle von unerwarteten Ereignissen, wie einer Streckenänderung, konnte das gefühlte Wohlbefinden jedoch tendenziell gesteigert werden, wenn ein Crew-Mitglied mit an Bord war.

Sicher, zuverlässig und weitestgehend autonom – so sollte das Lufttaxi der Zukunft aussehen. Wie es gelingen kann, es sicher aus der Ferne zu betreiben und zu überwachen und wie die Zertifizierung für diese Fluggeräte ablaufen müsste, untersuchten die Forschenden ebenfalls. Es zeigte sich schnell, dass bei Lufttaxis zwei große Herausforderungen der bemannten und unbemannten Luftfahrt zusammenkommen: der Wunsch nach vergleichbarer Autonomie wie in der unbemannten Luftfahrt und der nach gleich hohen Sicherheitsstandards wie in der bemannten Luftfahrt. „Die Zertifizierbarkeit von Lufttaxi-Komponenten, wie zum Beispiel des Batteriesystems, konnten wir erfolgreich nachweisen. Für die deutlich komplexere Zertifizierung von Autonomiefunktionen haben wir Teillösungen erarbeitet, hier besteht aber weiterhin Forschungsbedarf“, erläutert Schuchardt.

Haltestellen für Lufttaxis

Damit Lufttaxis im städtischen Raum überhaupt zum Einsatz kommen können, brauchen sie Haltepunkte, also kleine innerstädtische Flugplätze, sogenannte Vertidrome. Diese müssen sich in die vorhandene urbane Infrastruktur und das jeweilige Stadtbild integrieren lassen. In diesem Zusammenhang errichteten die Forschenden am DLR-Standort Cochstedt eine Modellstadt im Maßstab 1:4, in der sie auch das Management eines Vertidroms untersuchten.

City Airport für UAM
Visualisierung eines Vertidroms, das in der Hamburger Binnenalster platziert wurde© DLR

Schuchardt berichtet: „In der Modellstadt konnten wir als prägnantes Beispiel ein Lufttaxi-Szenario für Hamburg erproben. Konkret ging es um eine Luftverbindung zwischen dem Hamburger Flughafen und einem in der Binnenalster positionierten Vertidrom. Die nachgestellte Flugstrecke durch Hamburg ließ sich günstig entlang der bestehenden S-Bahn-Trasse legen. Sensible Gebiete oder solche mit höherem Flugverkehrsaufkommen, wie beispielsweise rund um das Hamburger Klinikum, wurden dabei ausgespart.

Wahrnehmung und Akzeptanz

Ein städtischer Luftverkehr kann ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung nicht umgesetzt werden. Deshalb führten die Forschenden dazu mehrere Studien zum Feedback von Bürgerinnen und Bürgern durch. Dabei zeigte sich ein breites Stimmungsbild. Für zivile Drohnen (z. B. für medizinische Transporte) zeigte sich im Allgemeinen eine Tendenz zu einem eher positiven Meinungsbild, bei Flugtaxis waren die Befragten im Schnitt eher zurückhaltender.

Der Blick aus der Perspektive von Anwohnerinnen und Anwohnern wurde in einer weiteren Studie erfasst. Hier wurde Teilnehmenden mithilfe von Virtual-Reality-Technologie ein Eindruck vermittelt, wie man sich als Passant oder Passantin in einer Stadt fühlt, über der zivile Drohnen fliegen. Zusätzlich entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine App, mit der die Geräuschkulisse von Drohnen nicht nur gemessen werden kann, sondern bei der die nutzende Person auch subjektive Bewertungen dazu abgeben kann.

Elektrische Antriebssysteme für die Urban Air Mobility von Schaeffler

Basierend auf der Kompetenz und dem Know-how der Division Automotive Technologies entwickelt Schaeffler elektrische Antriebsstränge für beispielsweise Lufttaxis (eVTOLs) und elektrische Starrflügler. „Wir bieten bieten ein umfassendes Spektrum an Systemen und Produkten für (Hybrid-)Elektroantriebe, einschließlich leistungsstarker Elektromotoren und vollständig integrierter Baugruppen“, sagt Armin Necker, Geschäftsführer der Aerospace-Sparte von Schaeffler. Auf der Pariser Luftfahrtschau 2023 zeigte der Technologiekonzern ein Exponat, dass die hohe Kompetenz des Unternehmens auf dem Gebiet der elektrischen Antriebssysteme unter Beweis stellt: Ein vollredundanter, also ausfallsicherer, Propellerantrieb, der aus zwei Elektromotoren mit je 150 kW, Siliziumkarbid-Leistungselektronik, Getriebe und Propellerlager inklusive Regler besteht. „Dieses Antriebssystem wurde nach den Anforderungen eines Kunden dimensioniert, entwickelt, konstruiert und optimiert“, erklärt Necker.