Assistenzroboter rennen um die Wette

Von Björn Carstens (mit Material vom DLR)
Viele ursprünglich für die Arbeit im Weltall entwickelte Technologien helfen, das Leben von Menschen mit körperlichen Einschränkungen zu erleichtern. So wie ein Leichtbauroboter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). In Kombination mit einem E-Rollstuhl wird aus ihm ein Assistenzroboter, mit dem ein DLR-Team jetzt bei der Technologie-Olympiade Cybathlon den ersten Platz belegte.
© ETH Zurich / Cybathlon / Alessandro Della Bella

Mehr als „Just for Fun“ – mit dem Cybathlon-Wettbewerb soll die Akzeptanz von Assistenz-Technologien gesteigert und Lücken zwischen Entwicklung und Anwendung reduziert werden. Die Idee: Menschen mit körperlichen Behinderungen messen sich beim Absolvieren von alltäglichen Aufgaben mittels modernster technischer Assistenzsysteme. Cybathlon wird von der ETH Zürich alle vier Jahre als Olympiade der Assistenztechnologien ausgerichtet. Ende Oktober 2024 traten 78 internationale Teams aus Forschung und Industrie gegeneinander an.

Das Team des DLR belegte mit dem Dachauer Mattias Atzenhofer und dem Robotersystem EDAN (EMG-controlled daily assistant) in der Kategorie „Assistenzroboter-Rennen“ den ersten Platz – eine von acht verschiedenen Disziplinen des Wettkampfs. Weitere Disziplinen testeten beispielsweise neue Arm- und Beinprothesen.

Assistenzroboter rennen um die Wette
Pilot Mattias Atzenhofer hochkonzentriert beim Assistenzroboter-Rennen© ETH Zurich / Cybathlon / Alessandro Della Bella
Steuerung per Joystick und KI

Das robotische System EDAN besteht aus einem elektrischen Rollstuhl und einem DLR-Leichtbau-Roboter-Arm. Dieser wird durch den 30-jährigen Cybathlon-Piloten Mattias Atzenhofer, der mit Muskeldystrophie lebt, per Joystick gesteuert. Mithilfe einer Kamera kann das DLR-System verschiedene Gegenstände erkennen und unterstützt den Piloten bei schwierigen Bewegungsabläufen mittels künstlicher Intelligenz (KI). So reicht es, wenn Atzenhofer den Roboter-Arm in die ungefähre Richtung eines bekannten Gegenstands steuert. Die KI des Roboters übernimmt dann die präzisen Bewegungsabläufe, sodass einfache Joystick-Kommandos genügen, um die Aufgabe flüssig auszuführen.

Dieses teilautonome Bedienkonzept ermöglicht eine intuitive Nutzung des Assistenzroboters und eine intelligente Unterstützung bei der Durchführung von Alltagsaktivitäten. EDAN soll so Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen ermöglichen, scheinbar einfache Aufgaben wie Trinken oder Türen öffnen selbstständig zu erledigen. Dass solche alltäglichen Aufgaben eine große Herausforderung für Menschen mit Behinderungen darstellen können, ist die Grundidee des Cybathlon-Wettbewerbs. In acht verschieden Disziplinen sollen durch Piloten und Teams beim Lösen der Aufgaben gezeigt werden, wie gut die entwickelte Technologie geeignet ist, Menschen im Alltagsleben zu unterstützen.

Im Assistenz-Roboter-Rennen bewältigte Mattias Atzenhofer einen Parcours mit zehn Stationen: Als Pilot musste er zeigen, dass er mit Hilfe EDANs in einen Apfel beißen, ein Kleidungsstück aufhängen, verschiedene Gewürze greifen, und einen Teller aus einer Spülmaschine räumen kann. Eine besondere Herausforderung stellte dabei das Durchfahren einer Tür da – die sowohl per Drehknauf geöffnet, als auch per Türklinke wieder geschossen werden musste.

Wettkampf-Hürden aus dem Alltag

„Bei der Tür gilt es, verschiedene Hürden zu überwinden“, erklärt Jörn Vogel, Leiter der EDAN-Teams vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik. „Zum einen ist es schwierig, den Türknauf zu drehen, denn das erfordert Kraft. Dazu kommt, dass die Aufgabe nicht mit einer Armbewegung allein ausgeführt werden kann, sondern der Rollstuhl muss zeitgleich zurückfahren, um Platz zu schaffen damit die Türe überhaupt geöffnet werden kann. Beim Schließen der Türe ist wiederum die koordinierte Bewegung von Rollstuhl und Arm nötig – vorher muss sich der Pilot mit Rollstuhl allerdings noch umdrehen. Für genau solche Aufgaben verfügen wir über unsere Ganzkörperregelung, die die Koordination zwischen Rollstuhl und Arm sicherstellt.“

„Es macht sehr viel Freude neue Erfindungen so hautnah mitzugestalten, und mir ist es wichtig, dass technische Hilfsmittel so entwickelt werden, dass sie auch wirklich unterstützen.“

Matthias Atzenhofer

Dennoch steht und fällt alles mit dem Piloten. Hochkonzentriert doch mit sichtlicher Freude erledigte Mattias Atzenhofer die zehn Aufgaben. Nach einem perfekte Punkte-Score in den Qualifikationsrunden war das Team EDAN bei der letzten Aufgabe minimal über der Zeit, aber die bereits tadellos erledigten neun anderen Aufgaben in Rekordzeit sorgen für einen souveränen Sieg. Mit sieben Minuten und 45 Sekunden war das DLR-Team fast zwei Minuten schneller als das zweitplatzierte Team aus Frankreich.