Best of Bahn
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September 2022

Best of Bahn

Von Leopold Wieland
Seit fast 200 Jahren werden Personen und Güter auf dem Schienenweg transportiert. Eisen-, Straßen- und Untergrundbahnen sind bewährte wie beliebte Verkehrsmittel. Sie fahren in höchster Höhe, durch dichtesten Dschungel und sogar mitten durch Wohnhäuser. Sieben der bemerkenswertesten Züge, Bahnstrecken und Haltestellen aus aller Welt im Überblick.
Intercity auf dem Dach der Welt
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Lhasa-Bahn durchs Himalaya

Wow!
Die Strecke zwischen Lhasa in Tibet und der chinesischen ­Provinzmetropole Xining hält gleich drei Weltrekorde: höchstgelegene Bahnroute (bis 5.072 Meter), höchstgelegener Bahnhof (Tanggula, 5.068 Meter) und höchstgelegener Tunnel (Fenghuoshan, 4.905 Meter). Knapp 90 Prozent der 1.956 Kilometer durchs Trans-Himalaya-Gebirge liegen höher als 4.000 Meter.

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Die 2006 in Betrieb genommene Zugverbindung ist die Hauptverkehrsader Tibets. Fahrzeit Lhasa-Xining: 17 Stunden. Die Strecke ist nur teilweise elek­trifiziert. Bis zu drei Dieselloks sind in den höchsten Lagen zum Ziehen der 16 Waggons nötig. Anders lässt sich der von der dort oben sauerstoffärmeren Luft verursachte Leistungsverlust der Verbrennungsmotoren nicht ausgleichen. Eine besondere technische Lösung verlangte zudem der Permafrostboden auf 550 Kilometern der Hochgebirgs-Bahntrasse. Stahlrohre, gefüllt mit Ammoniak, wurden tief ins Erdreich gerammt. Das beugt dem Auftauen vor und stabilisiert so dauerhaft den Gleiskörper. Einem Versanden durch die gewaltige Wanderdünen an der Strecke beugen grobe Steinraster links und rechts der Schienen vor.

Zick-Zack-Kurs an der „Teufelsnase“
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Anden-Bahn in Ecuador

Wow!
An der „Teufelsnase“ verlangt die Topografie spektakuläre Rangiereinheiten. Um die Gleise um einen spitzen, schwindelerregend steilen Felsvorsprung, im Spanischen Nariz del Diablo genannt, zu führen, müssten sie eigentlich in Serpentinen verlegt werden – aber dann könnte kein Zug mehr darauf fahren. Die Lösung: Die Klippe wird im Zick-Zack-Kurs umkurvt. Das funktioniert so: Der bergauf- oder bergab kommende Zug rollt in Schrittgeschwindigkeit an jeder Spitzkehre in ein „Sackgleis“. Die Weiche an dessen Anfang wird umgestellt und die Fahrtrichtung der Diesellok umgekehrt. Und weiter geht’s zur nächsten „Biegung“.

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Die „Teufelsnase“, deren Name auf die vielen dort beim Bau (1899–1908) zu Tode gekommenen Streckenarbeiter zurückgeht, ist ein zwölf Kilometer langes Teilstück der Zugverbindung zwischen Ecuadors Hauptstadt Quito im Norden und Guayaquil an der Westküste. Die spektakuläre Strecke ist bei (Bahn-)Touristen sehr beliebt und kann als Tagestour befahren werden.

Kletterpartie ohne Seil oder Zahnrad
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Pöstlingbergbahn in Linz (Österreich)

Wow!
Obwohl sie bis zu 11,2 Prozent Steigung und Gefälle zu bewältigen hat, wird ihre aus elektrischem Strom gewonnene Energie allein über die Stahlräder des Triebwagens auf die ebenfalls aus Stahl gefertigten Schienen übertragen. Bei Bergbahnen üblicherweise zusätzlich verwendete Seil- oder Zahnrad-Antriebe kommen nicht zum Einsatz. Mit solch einer Adhäsionsbahn nach dem aus dem Zugverkehr stammenden Antriebskonzept sind theoretisch 13 Prozent steile Strecken fahrbar. Diesem Limit kommt auf der Welt kaum eine Bahn so nah wie die am Pöstlingberg in Linz.

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Hauptgrund für den Bau der knapp drei Kilometer langen Pöstlingberg-Bahnstrecke zwischen 1888 und 1898 waren die Besucher der Marien-Walfahrtskirche oben auf dem Linzer Hausberg. 2008 wurde die Spurweite der eingleisigen Strecke von 1.000 auf 900 Millimeter reduziert. Das ermöglichte den Anschluss ans lokale Straßenbahnnetz. Vier neue, barrierefreie Triebwagen mit optimiertem Bremssystem sind seither Standard. Wegen des starken Gefälles werden wie eh und je keine weiteren Waggons angehängt. Höchsttempo: bergauf 12 km/h, bergab 13,5 km/h.

Bahnverkehr am Limit
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Chemin de fer Congo-Océan im Kongo

Wow!
Die rund 510 Kilometer lange Strecke zwischen der Hauptstadt Brazzaville im Südosten des Kongo und der Hafenstadt Pointe-Noire am Atlanik gilt als „Lebensader“ des Landes. Eine Lebensader, bei deren Bau (1921–1934) jedoch über 17.000 Zwangsarbeiter den Tod fanden. Eine besondere Herausforderung ist der Streckenabschnitt durch das Mayombe-Urwald-Gebirge. Das gilt sowohl für den Bau als auch den Erhalt (viele Erdrutsche!) und die Fahrt. Von der Küste kommend, überwinden die Gleise zunächst ein sumpfiges Tal, bevor es bergauf geht. Drei Loks haben schwer zu schleppen, insbesondere, wenn schwer beladene Güterzüge hinaufgewuchtet werden müssen.

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Die wegen der schwierigen Topografie gewählte 1.067-Millimeter-Schmalspur ist auch ein Grund für die vielen Unfälle auf der Strecke. Im undurchdringlichen Mayombe-Dschungel werden entgleiste Waggons und Loks den Launen der Natur überlassen – als rostende Mahnungen für die dort Tag für Tag vorbeirumpelnden Züge.

Haltestelle mitten im Hochhaus
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Chongqing Train in China

Wow!
Die 2004 eröffnete Bahnlinie 2 der 31-Millionen-Metropole Chongqing durchstößt ein 19-stöckiges Wohnhaus in dessen voller Länge. Mehr noch: das Gebäude beherbergt auch die Station Liziba, die sich über drei Etagen erstreckt.

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Mit der „Haltstelle im Hochhaus“ löste eine der größten Stadtregionen der Erde zwei Probleme auf einmal: Für die Bahnverbindung ins Zentrum musste weder die Umgebung baulich verändert werden, noch ging dadurch viel dringend benötigter neuer Wohnraum verloren. Auch die Bewohner befürworteten das Projekt. Sie haben mit der Bahnhaltestelle direkt im Haus einen extrem kurzen Weg von ihrem Zuhause zum Zug und zurück. Ein Vorteil, der auch den Wert der Wohnungen erhöhte. Zumal der unkonventionelle Schienendurchstoss weder Erschütterungen noch störenden Lärm verursacht. Dank spezieller Dämmung steigt der Geräuschpegel durch den Zugbetrieb nicht über 60 Dezibel. Das entspricht der Lautstärke einer normalen Unterhaltung.

12 Stunden Zug-Kino
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Alaska Railroad in den USA

Wow!
1903 mit dem Bau begonnen, stieß die Alaska Railroad immer weiter ins Landesinnere vor. Heute verbinden 750 Gleiskilometer die Häfen Seeward und Whittier mit Alaskas größter Stadt Anchorage sowie Fairbanks im Landesinneren. Einen Anschluss an ein anderes Bahnnetz gibt es nicht. „Jede Meile dieser legendären Eisenbahnlinie wurde durch Mut, Tapferkeit, Glauben und viel Schweiß hart erarbeitet“, heißt es auf der Website. Wie kniffelig die Fahrt selbst im Sommer ist, zeigt schon der Blick auf den Fahrplan: Für 580 Kilometer zwischen Anchorage und Fairbanks braucht selbst der Expresszug zwölf Stunden. Viel Zeit also, um die majestätische Landschaft zu bewundern.

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Gut ausgebaute Straßen sind in Alaska nicht selbstverständlich. Daher nutzen auch Pick-ups und Transporter gern die Gleise der ­Alaska Railroad. Dafür haben die Fahrzeuge an Front und Heck zusätzlich jeweils zwei abklapp­bare Schienen­räder aus blankem Stahl. Im Winter ­wissen auch Elche die geräumten Gleise als Wege zu schätzen – mit oft tödlichen Folgen für die schwergewichtige Hirschart.

Filigraner Stahlkoloss
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Rendsburger Hochbrücke (Deutschland)

Wow!
Diese Eisenbahnbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal ist ein technisches Meisterwerk – von 1911 bis 1913 zusammengebaut aus 17.350 Tonnen Stahl, zusammengehalten von 3,2 Millionen Nieten. Obwohl die Hauptbrücke nur 295 Meter lang ist, misst das gesamte Bauwerk 7,5 Kilometer. Denn um den nahe an der Brücke liegenden Bahnhof der Stadt Rendsburg an die wichtige Nord-Süd-Verbindung anzubinden, dreht das Gleisbett am Nord­ufer des Kanals eine vier Kilometer lange Schleife, um sich auf engem Raum aus 42 Meter Höhe (nötig für den Schiffsverkehr) hinunterzuschrauben.

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An der Unterseite der Hochbrücke hangelt sich eine der acht weltweit noch eingesetzten Schwebefähren von einem Kanalufer zum anderen. Auch das macht die Brücke zu einem ganz besonderen Bahnbauwerk.

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Die Schwebefähre ist an Stahlseilen geführt und kann vier Autos sowie bis zu 100 Personen über den Kanal befördern. 2016 stieß sie bei schlechter Sicht mit einem Schiff zusammen, fiel danach sechs Jahre lang aus. 2022 wurde ein Neubau in Dienst gestellt © Getty