Handeln statt Hadern
„Nein, wir fahren nicht mit Google Maps in den Urlaub. Die wollen nur unsere Daten. Wir machen die Routenplanung aus dem Bauch heraus, wir fahren schließlich schon seit zehn Jahren nach Italien“, sagte mir einst ein Kollege und löste damit großes Erstaunen bei mir aus. Ganz unabhängig davon, dass in den zehn Jahren Straßen gebaut wurden, von denen mein Kollege wahrscheinlich keine Ahnung hatte, ärgerte er sich auch immer wieder über die vielen Staus, die wir auf der Strecke mithilfe der App locker umfahren. Klar, Google sammelt Daten, auch über unsere Urlaubsaufenthalte, aber rechtfertigt das diese kategorische Ablehnung einer Technologie, die uns nicht nur sicherer, sondern auch entspannter und in unserem Fall sogar frühzeitiger ans Ziel kommen lässt? Wir nutzen die App schon mehrere Jahre und haben aus magischen Gründen immer wieder eine um 20 Prozent kürzere Fahrzeit an unser Ziel im Dolce-Vita-Land. Solche Erlebnisse haben mich dazu veranlasst, in meiner Forschung gezielt nach Erklärungen und Anzeichen für gelungene und misslungene Integration von Technologien in das eigene Leben Ausschau zu halten. Es ist in der Tat wichtig, zu verstehen, warum manche von uns so zu kämpfen haben mit dieser technisch geprägten Welt.
#weadapt – zukunftsfähig durch Persönlichkeit
Der Schlüssel, um in dieser technikzentrierten Welt erfolgreich zu sein, liegt in Eigenschaften unserer Persönlichkeit.
Da sich die Technologie in einem beispiellosen Tempo weiterentwickelt, besteht die Herausforderung für die Menschheit nicht nur darin, Schritt zu halten, sondern sich nahtlos in diese sich schnell verändernde Landschaft zu integrieren. Der Schlüssel, um in dieser technikzentrierten Welt erfolgreich zu sein, liegt in Eigenschaften unserer Persönlichkeit. Das haben wir tatsächlich mit einem Team der Northern Business School und meinem Kollegen Achim Wortmann erforscht. Dafür erheben wir etwas, das man Techniküberzeugung nennt, also wie Menschen zum Experimentieren mit und Einsetzen von neuen Technologien eingestellt sind. Hinzu kommen Messinstrumente für Dinge wie Neugier oder Anpassungsfähigkeit. Diese Eigenschaften befähigen uns nicht nur dazu, die Komplexität moderner Technologien zu meistern, sondern auch, sie für persönliches und berufliches Wachstum zu nutzen. Was kommt bei derartiger Forschung heraus?
Die Kraft der (beruflichen) Neugier
Neugier, unser Drang zu experimentieren und zu explorieren, ist die treibende Kraft hinter unserem Engagement für neue Technologien. Sie motiviert uns, Fragen zu stellen, neue Informationen zu suchen und mit unbekannten Werkzeugen zu experimentieren. In einer Welt, in der sich die Technologie ständig weiterentwickelt, ist Neugier unerlässlich, um auf dem Laufenden und kompetent zu bleiben. Tatsächlich belegte eine Psychologen-Kollegin im Jahr 2023, dass Neugier 53 Prozent des Lernerfolgs in einem Digitaltraining ausmacht. Die Menschen im Versuch blieben einfach länger interessiert und lernten intensiver. Das war der Kniff: Anstatt mit einer Frage anzufangen und dann sofort nach Antworten zu suchen, sammelte der Kurs bis zu 20 verschiedene Fragen. Da tauchten dann solche auf, die ganz andere Sichtweisen auf die neue Technologie mit sich bringen.
Mit einer Frage zu starten und dann nach Antworten zu suchen, versetzt den Kopf in den Lösungsmodus. Die Folge: Das Denken wird eng. 20 Fragen zu sammeln ist ein wenig ungewohnt, führt aber dazu, dass Menschen Fragen notieren, die ihnen bis dato noch nie in den Kopf gekommen sind. Und das öffnet den Kopf im Handumdrehen für den nötigen Perspektivenwechsel.
Auf diesem Weg haben wir 2016 mit Porsche Consulting deren Innovationsvorgehen komplett umgestellt. In die Kategorie der Unneugierigen zählen wir übrigens ein wenig scherzhaft die „App-Ablehner“: Sie bezahlen immer noch bar, weil sie nie neugierig genug waren, um zu lernen, wie mobile Zahlungs-Apps funktionieren. Dadurch halten sie die Schlange im Café auf, während Sie versuchen, mit Kleingeld zu bezahlen, während alle anderen einfach ihr Handy zücken und durchgehen.
Zukunftsmut
Zuversicht, Zutrauen, Robustheit und realistischer Optimismus: Eigentlich heißt dieses Eigenschaftsbündel „Psychologisches Kapital“. Aber das klingt immer nach einer sehr anstrengenden Mischung von Sigmund Freud und Karl Marx. Darum haben wir es umgetauft. Es heißt nun „Zukunftsmut“. Der besteht aus Selbstwirksamkeit, Optimismus, Hoffnung und Widerstandskraft. In einer Welt, in der technologische Fortschritte oft überwältigend wirken können, ist Zukunftsmut zentral.
Berühmte Fehleinschätzungen, die einen Mangel an Zukunftsmut offenbaren
Beispiel: Vor weniger als 150 Jahren wurde die Idee der Glühbirne von vielen sogenannten Experten belächelt. Thomas Edison war nach der Erfindung des Phonographen bereits eine beeindruckende Persönlichkeit in der Welt der Wissenschaft, aber das reichte nicht aus, um ihm bei seiner neuesten großen Idee Vertrauen zu schenken. Als 1878 die Gas-Börsenkurse einbrachen, weil Thomas Edison ankündigte, er arbeite an einer Glühlampe, setzte das britische Parlament ein Komitee ein, um die Angelegenheit zu prüfen – und deren Schlussfolgerung war für Edison alles andere als schmeichelhaft. Im Jahr 1880 äußerte sich Henry Morton, Präsident des Stevens Institute of Technology, über Edisons Glühbirne: „Jeder, der sich mit dem Thema auskennt, wird sie als spektakulären Fehlschlag erkennen.“ Doch Edison ließ sich davon nicht entmutigen, glaubte an sein Idee und verfolgte sie weiter – den Rest kennen Sie, denn jedem von uns ist dieses Licht schon einmal aufgegangen.
Transformation beginnt im Kopf
Dieses Dranbleiben mit Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist in einer Welt, in der sich die Technologie ständig ändert und ständig neues Können erforderlich ist, unverzichtbar.
Beim Umgang mit neuen Technologien gehen Menschen mit hohem psychologischem Kapital Herausforderungen mit einer „Ich kann das“-Einstellung an. Zum Beispiel könnten sie anfänglich Schwierigkeiten mit neuer Software bei der Arbeit haben, aber anstatt aufzugeben, bleiben sie zuversichtlich, dass sie diese schließlich beherrschen werden und dass Sie verschiedene Wege zur Lösung finden werden. Dieses Dranbleiben mit Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist in einer Welt, in der sich die Technologie ständig ändert und ständig neues Können erforderlich ist, unverzichtbar.
Auf der anderen Seite stellen Sie sich jemanden mit geringem psychologischen Kapital vor, der versucht, ein neues digitales Tool bei der Arbeit zu verwenden. Er stößt auf ein kleines Problem, und anstatt es zu lösen oder um Hilfe zu bitten, wirft er frustriert die Hände in die Luft und erklärt: „Ich bin einfach nicht gut mit Technik!“ Diese resignierte Haltung hindert ihn nicht nur daran, Fortschritte zu machen, sondern macht ihn auch zunehmend resistent gegenüber zukünftigen technologischen Veränderungen.
Mit AQ fit für die Zukunft
Anpassungsfähigkeit an neue Bedingungen, ich spreche auch gern von Anpassungsintelligenz oder kurz AQ („Anpassungsquotient“), ist vielleicht die wichtigste Eigenschaft in einer Welt, in der technologische Fortschritte konstant sind. Diejenigen, die anpassungsfähig sind, können schnell neue Systeme erlernen, neue Praktiken übernehmen und sich bei Bedarf umstellen. Diese Flexibilität ist entscheidend, um neue Technologien in den Alltag zu integrieren.
Die Ablehnung und die folgende mangelnde Anpassungsfähigkeit hat uns das Unternehmen Research in Motion (RIM) präsentiert. Vielleicht erinnern Sie sich: RIM hat das „Blackberry“ erfunden. Bahnbrechend; ein mobiles Gerät mit Tastatur. Hatte es damals noch nicht gegeben. Wurde ein Knüller. Die Welt dreht sich weiter. Herr Jobs kommt mit einem Telefon, das gar keine physische Tastatur mehr hat. Wie reagiert RIM? Nach mehr als 100 Millionen verkauften Blackberrys – RIM hatte damals 50 Prozent der gesamten Smartphone-Marktes in der Tasche – gab es 2007 tatsächlich interne Memos, in denen die Leute darüber sprechen, dass sie nicht umschwenken könnten, weil jeder Kunde die Tastatur angeblich so sehr liebte. Wenig später (und letztlich zu spät) wussten die Besitzstandsbewahrer: So groß war die Liebe dann doch nicht, denn die Kunden liefen zur Konkurrenz über. „Adapt or Die“, würden die Amerikaner sagen.
Wie bremsend ein Mangel an Innovationsintegration sein kann, hat eine geschätzte Freundin und Kollegin in Köln erlebt, als sie eine Gründungsbezuschussung einholen wollte. Die Unterlage, die ihr per Mail zugesendet wurde, verlangte nach einer Unterschrift. Ob sie diese auch digital leisten könne? Das Ansinnen wurde verneint. Ob es denn reichen würde, die letzte Seite für die Unterschrift auszudrucken und zuzusenden (schließlich war es ein stattlicher Antrag mit mehr als 30 Seiten). Auch das wurde verneint. Sie musste also alles ausdrucken, auf der letzten Seite signieren, und dann war es ihr erlaubt, das Dokument eingescannt ans Amt zu senden. Doch das dicke analoge Ende kommt noch: drei Monate später standen zwei Mitarbeiter des Amtes vor ihrer Tür. „Wir hätten gerne den Ausdruck des Antrages in Augenschein genommen.“ –„Bitte? Den Ausdruck?“ – „Ja, wir müssen sehen, dass Sie es ausgedruckt und unterschrieben haben.“ Zum Glück hatte meine Kollegin den Ausdruck noch da. Auf ihre Frage, was denn gewesen wäre, wenn der nicht mehr vorhanden gewesen wäre und ob sie dann den unterschriebenen und damals eingescannten Antrag neu hätte ausdrücken dürfen, kam dann keine Antwort.
Fazit
Neugier, Zukunftsmut und Anpassungsfähigkeit sind in einer technologiegetriebenen Welt nicht nur nette Eigenschaften, sondern entscheidend für eine erfolgreiche Integration in diese sich schnell entwickelnde Landschaft. Neugier treibt den Wunsch an, zu erkunden und zu lernen, psychologisches Kapital bietet die Resilienz, um Herausforderungen zu meistern, und Anpassungsfähigkeit stellt sicher, dass wir uns an neue Bedingungen und Technologien anpassen können. Indem wir diese Eigenschaften kultivieren, können wir nicht nur mit den technologischen Fortschritten Schritt halten, sondern auch in einer zunehmend digitalen Welt erfolgreich sein. Denken Sie also das nächste Mal, wenn Sie vor einem technologischen Hindernis stehen, daran: Ein wenig Neugier, ein Schuss psychologisches Kapital und viel Anpassungsfähigkeit können dazu beitragen, dass Sie nicht von Ihren eigenen smarten Geräten überlistet werden.