Alle Achtung
Sehen bei Sichtweite null – Feuerwehrleute tappen sprichwörtlich im Dunkeln, wenn sie sich durch rauchverhangene Räume vorarbeiten, um Menschenleben zu retten. Forscher und Techniker arbeitet überall auf der Welt daran, die Orientierung von Rettungskräften in geschlossenen Räumen unter extremen Sichtbedingungen zu verbessern. So auch beim US-Start-up Qwake Technologies, das in Zusammenarbeit mit dem US-Heimatschutzministerium Homeland Security das Echtzeit-Visualisierungssystem C-THRU entwickelt.
C-THRU besteht aus zwei Komponenten: der Navigator-Einheit aus Wärmebildkamera, Display und Recheneinheit, die sich an jedem Standard-Feuerwehrhelm montieren lässt, und dem „Visual Command“-Tablet, mit dem der Einsatzleitende die Aufzeichnungen der Einsatzkräfte in Echtzeit abruft und so unter oft chaotischen Bedingungen schneller und sicherer koordinieren kann.
Das in das Display im Sichtfeld der Einsatzkraft projizierte Augmented-Reality-Overlay bildet Oberflächen, Objekte und Personen als Umrisse in der Umgebung ab. Captain Justin Quarisa, ein Feuerwehrmann aus Kalifornien, gehörte zu den ersten, die das System 2023 getestet haben. Sein Fazit: „Der Wow-Faktor ist einfach unglaublich. Natürlich haben wir bereits Wärmebildkameras, aber sie mit einem Heads-up-Display auf dem Helm zu tragen, ist etwas, das jeder zu lösen versucht hat. Zusammen mit der KI-Komponente, die das grüne Bild verbessert, liefert sie eine viel bessere Darstellung von einem Raum, fast so, als würde man ein Videospiel sehen.“
KI koordiniert ohne Stress und Emotionen
Stichwort KI: Generell kann künstliche Intelligenz Einsatzleiter unterstützen, die Vor-Ort-Lage zu erfassen und auszuwerten. Frei von Stress und Emotionen werten die Rechenhirne die über Sensoren und Kameras übertragenen Informationen aus, gleichen sie mit hinterlegten Erfahrungswerten ab und liefern in Sekundenbruchteilen mögliche Rettungsszenarien, die dem Einsatzleiter helfen, schnell effektive Entscheidungen zu treffen und das Rettungsteam anzuleiten. Außerdem kann die KI die Einsatzleitung beim Multitasking unterstützen und beispielsweise einzelne Einsatzkräfte alarmieren, wenn sich im direkten Umfeld giftige Gase bilden. Idealerweise navigiert die KI den Retter eigenständig schnell und sicher aus dem Gebäude.
Auch über den Einsatzort hinaus kann KI koordinierend unterstützen, beispielsweise bei der Zuteilung von Unglücksopfern auf Krankenhäuser, die auf die entsprechenden Verletzungen spezialisiert sind oder ausreichende Kapazitäten zur Patientenbetreuung haben. Schon heute sind solche KI-gestützten Gefahrenmanagement-Systeme zur Sichtung und Einsatzführung vereinzelt im Einsatz.
Grüne Welle
Im Bereich der Rettungsmobilität werden Techniken erprobt, wie Rettungskräfte mithilfe einer Echtzeit-Datenübertragung mittels 5G-Funknetz schneller und sicherer zu ihrem Einsatzort gelangen können, beispielsweise am DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik. Projektleiterin Anna Schieben erklärt: „Wir haben verschiedene Kreuzungen in Braunschweig und in Wolfsburg mit einem Empfangs- und Sendemodul ausgestattet. Dadurch können sich Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr bei diesen Ampeln automatisiert anmelden und sie auf Grün schalten.“ Außerdem können sie durch die intelligent geschaltete „Grüne Welle“ den Verkehr geschickt überholen.
Zukünftig könnten auch andere Fahrzeuge sowie Fußgänger oder Radfahrer Nachrichten über einen Feuerwehreinsatz auf der Strecke auf ihren Mobilfunkgeräten empfangen und die Aufforderung erhalten, eine Rettungsgasse zu bilden. Dafür übermittelt das Feuerwehrfahrzeug die Information über die geplante Route an das 5G-System.
Retten im Metaverse
Den schnellsten Weg zum Einsatzort weisen Navigationssysteme mit Verkehrsinformationen in Echtzeit. Aber vor Ort im Gebäude müssen Retter sich den Weg heute meist selbst suchen. Das ist gefährlich und zeitraubend. Digitale Zwillinge von Gebäuden sollen hier zukünftig Abhilfe schaffen. Retter sollen sich mittels der digitalen Pläne und einer darauf basierenden Routenführung, die auf ein Display im Sichtfeld eingeblendet wird, schnell und sicher durch Gebäude navigieren können und dabei möglichen Eng- und Gefahrenstellen ausweichen. Im Idealfall greift das System auf Daten von im Gebäude verbauten Sensoren zurück, die das umfassende Lagebild komplettieren. Oder der Digitale Zwilling weist auf mögliche Gefahrenquellen hin, die dort hinterlegt sind, wie entzündliche Stoffe etc. Umfasst der Digitale Zwilling ganze Gebäudekomplexe, Viertel oder sogar Städte, können Präventivmaßnahmen wie das Verhindern eines Überspringens der Flammen, Löschwasserversorgung oder Gefahrenmeldungen etwa vor giftigem Rauch eingeleitet werden. Das Wissen um den Einsatzort hilft den Wehren auch, die entsprechenden Gerätschaften bereitzustellen und sie vor Ort optimal zu positionieren.
Mit digitalen Zwillingen von Großgebäuden wie Einkaufszentren, Flughäfen oder Arenen können Einsatzkräfte auch verschiedenste Notfallszenarien durchspielen und trainieren. Mehr noch: Bereits in der Planungsphase lassen sich spätere Brandverläufe am digitalen Zwilling simulieren und die Entwürfe entsprechend optimieren. Später können die Simulationen Informationen für reale Einsätze liefern.
Meist helfen die kompakten und unbemannten Flieger mit Luftaufnahmen bei der Lageeinordnung. Aber da geht noch mehr: zukünftig sollen kabelgebundene Drohnen weitläufige Flächen ausleuchten, große Lastdrohnen könnten Löschwasser abwerfen, selbst Rettungsaktionen von Dächern oder Balkonen sind denkbar.
Die schweizerische Forschungsanstalt EMPA hat zusammen mit dem Imperial College London eine Drohne entwickelt, die bei ersten Testeinsätzen 2023 Temperaturen bis zu 200 Grad Hitze standgehalten hat. Mit dieser Hitzefestigkeit könnte der Mehrflügler beispielsweise als Vorhut für menschliche Feuerwehrleute in brennende Gebäude geschickt werden. Der Prototyp ist mit einer wärmereflektierenden Aluminiumhaut ausgestattet, unter der eine isolierende Schicht mit sogenannten Aerogel-Kacheln liegt. Dritte Schutzkomponente ist ein kühlender „Schwitzeffekt“, bei dem flüssiges CO2 verdampft wird.
Unterstützung aus dem All
Die Zahl der verheerenden Waldbrände nimmt von Jahr zu Jahr zu. Auch hier zeichnet sich Hilfe am Hightech-Himmel ab. Zusammen mit zuständigen Behörden auf der ganzen Welt und anderen Partnern will Google das satellitengestützte Frühwarnsystem „FireSat“ an den Start bringen. Ziel ist es, mittels Infrarot-Scanning der Erdoberfläche binnen 20 Minuten einen nur 25 Quadratmeter großen Brandherd auf einem beliebigen Punkt auf dem Globus ausfindig zu machen.
Aktuell liegt die durch Satelliten erfassbare Warnschwelle bei einer Größe von zwei bis drei Fußballfeldern, was ein Eindämmen deutlich erschwert. Bei „FireSat“ unterstützt künstliche Intelligenz das sensible Suchraster mit dem Abgleich von Echtzeit- mit Bestandsbildern und lokalen Informationen wie gemeldeten künstlichen Feuern oder anderen Ereignissen.
Robo-Retter
Die Technologien, die Drohnen durchs Feuer fliegen lassen, könnten auch der Schlüssel zum nächsten Schritt in der Rettung sein: dem Hitzeresistenten humanoiden Robo-Feuerwehrmann. Das Istituto Italiano di Technologia (IIT) geht sogar noch einen Schritt weiter: Die dortigen Wissenschaftler wollen einen fliegenden Humanoiden ins Feuer schicken. Ihr mit Düsenantrieben an Armen und Beinen ausgestatteter iRonCub MK3 erinnert an den Marvel-Helden Iron Man. Der erste vollwertige Testflug lässt noch auf sich warten. Außerdem stellt sich die Frage, ob Düsentriebwerke, die bis zu 1.000 Grad Hitze entfalten, die passende Lösung für Indoor-Einsätze sind. Ein feuerfester Humanoid mit Rad und/oder Beinantrieb ist hierfür sicherlich die bessere Alternative.
Automatisierter Multi-Terrain-Retter
Schlamm, Geröll, Wasser – kurzum: Hindernisse aller Art nimmt das Amphibienfahrzeug Sherp dank seiner vier üppigen Niederdruckreifen mit Leichtigkeit. Auf Land schafft das 3,4 Meter kurze und üppige 2,5 Meter breite All-Terrain-Vehicle 40 km/h, auf dem Wasser schwimmend immerhin noch 6 km/h. Gelenkt wird wie bei Panzern durch seitenweise Verlagerung des Vortriebs. Und das in einer neuen Prototypen-Version vom DLR-Institut für Robotik und Mechatronik namens „Ahead“ (steht für: Autonomous Humanitarian Emergency Aid Devices) sogar ohne Fahrpersonal an Bord. Beim teilautonomen Manövrieren unterstützt ein Teleoperator die diversen Assistenzsysteme wie Funkkommunikation, Wahrnehmungssensoren, Tiefenkameras und Lidar-Lasersystem. So gerüstet können Hilfesuchende selbst aus extremen Notlagen befreit werden, zum Beispiel aus Überflutungs- oder Epidemiegebieten, ohne Retter in Gefahr zu bringen. „AHEAD hilft uns, die immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen besser zu bewältigen. Das automatisierte Fahren gefährdet kein Fahrpersonal und wir erreichen Krisengebiete, die aufgrund weggespülter Straßen oder zerstörter Brücken unpassierbar sind. Zusätzlich liefert uns die Technik an Bord des Spezialfahrzeugs Daten, mit denen wir schnell ein digitales Lagebild erstellen und die Such- und Rettungseinsätze noch gezielter als bisher durchführen können“, sagt Uwe Kippnich von dem am Projekt beteiligten Bayerischen Roten Kreuz.
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