Next Level Logistics

Von Björn Carstens
Wie von Geisterhand werden Containerriesen in den Häfen dieser Welt be- und entladen. Tatsächlich stecken noch immer Menschen dahinter – und sie trainieren mit Programmen aus der Gamingbranche.
© Suphanat Khumsap/iStock

Rush Hour im Hafen der südkoreanischen Millionenstadt Busan. Mächtige Containerpötte liegen vertäut am Dongwon Global Terminal. Hoch über dem Deck eines Frachters senkt sich ein gewaltiger Portalkran. Zentimetergenau greift er eine der 20 Fuß langen Stahlboxen, hebt sie in einem flüssigen Bewegungsablauf an und setzt sie wenig später auf ein fahrerloses Transportfahrzeug ab – zielgenau programmiert. Was sucht man hier vergebens?

Menschen, die klassische Hafenarbeit erledigen wie Laden, Löschen, Container zum Lager transportieren und wieder abholen. Busan ist eines der Paradebeispiele von voll automatisierten und digitalisierten Häfen der Zukunft.

80 Prozent

des internationalen Handelsvolumens werden in etwa über Seewege transportiert. Ohne leistungsfähige und gut organisierte Abläufe in den Häfen wäre der weltweite Handel undenkbar.

Quelle: Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO)

Hier in Asiens führendem voll automatisiertem Umschlagbetrieb, wie ihn die Koreaner bewerben, ist der Mensch längst nicht mehr der direkte Bediener der Maschine, sondern er steuert sie fern via Joystick, wie in einem Computerspiel, aus dem Großraumbüro heraus. In Busan kann ein Einzelner vier Kräne gleichzeitig bedienen. Die riesigen Containerbrücken, die früher von Kranführern in schwindelerregender Höhe gesteuert wurden, sind heute vollständig automatisiert. Mit klassischem Hafenbetrieb hat das nur noch wenig zu tun.

Spezialisierte Software berechnet in Echtzeit die effizienteste Reihenfolge für das Be- und Entladen. Sensoren und Kameras führen jeden Griff zielgenau aus. Was früher Erfahrung, Intuition und auch Muskelkraft verlangte, übernehmen heute lernende Systeme und KI-gestützte Algorithmen – schneller, sicherer und ohne Pause.

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Selbstfahrende Containertransportfahrzeuge (Automated Guided Vehicles) im Hamburger Hafen© HHLA

Der Markt für automatisierte Containerterminals wächst rasant aufgrund des zunehmenden Welthandels, der Überlastung der Häfen und der Nachfrage nach effizienterer Frachtabfertigung. Schlüsselregionen wie der Asien-Pazifik-Raum, Europa und Nordamerika investieren nicht nur in automatisierte Kräne, auch in autonome Fahrzeuge und KI-gestützte Terminalmanagementsysteme, um den Hafenbetrieb zu optimieren. Technologische Fortschritte wie 5G-fähige Smart Ports, KI-gesteuerte vorausschauende Wartung und Blockchain-basiertes Logistik-Tracking verändern die Branche.

11 Mrd. US-Dollar

wurde im Jahr 2024 in etwa der globale Markt für automatisierte Containerterminals geschätzt, er soll bis zum Jahr 2032 rund 13,8 Mrd. US-Dollar erreichen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 2,9.

Quelle: Databridgemarketresearch

Ausbildungshilfe aus der Gamer-Szene

Auch an den Containerterminals in Hamburg, gemessen an den Umschlagzahlen hinter Rotterdam und Antwerpen der drittgrößte Hafen Europas, hat die Zukunft begonnen. „PortSkill 4.0“ heißt das Projekt, bei dem das Software-Start-up „Patient Zero Games“, das ursprünglich aus der Gaming-Branche stammt, die Hafenarbeiter auf ihre künftige Arbeitswelt vorbereitet. Mehr Mausklicks, weniger Schalthebel, lautet die Vision.

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Trainingsleitstand am Container-Terminal Altenwerder in Hamburg© HHLA

Im eigens eingerichteten Trainingszentrum am Container-Terminal Altenwerder (CTA) in Hamburg stehen virtuelle Lernwelten im Vordergrund. Herzstück des Zentrums ist eine große Videowand mit sechs Bildschirmen, die zusammen mit mehreren Kontrollpulten als Leitstand dient. Ein weiterer Raum ist mit einem Fernsteuerstand für Containerbrücken, Lager- und Bahnkräne ausgestattet, während in einem separaten Raum Virtual-Reality-Anwendungen für immersive Schulungen genutzt werden können.

30 Prozent

produktiver sind ferngesteuerte Containerbrücken. Remote-Kranführer, die mit einem Joystick bewaffnet am Bildschirm arbeiten, sind schneller, effizienter und damit kostengünstiger.

Quelle: Hamburger Hafen und Logistik AG

Die Räume am CTA sind mit anderen Seehafen-Standorten vernetzt, sodass Teilnehmende sich standortübergreifend in einer gemeinsamen virtuellen Trainingsumgebung begegnen können. Rund 11.500 Beschäftigte in den deutschen Seehäfen sollen so auf den Strukturwandel vorbereitet werden.

„Die Hafenarbeit der Zukunft wird andere Fertigkeiten verlangen. Den Umgang mit digitaler Technik und IT-Prozessen, die Fähigkeit zu abstrahieren und eine neue Form der Konzentration und Kommunikation in einem vernetzten System.“

Thomas Lührs, Projektleiter bei PortSkill
Fallen Arbeitsplätze weg?

In Hamburg, so versichert die Vorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) Angela Titzrath, sollen die Beschäftigten beim Transformationsprozess mitgenommen werden: „Fest steht, dass wir keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen, sondern für neue Jobs qualifizieren und weiterbilden.“

PortSkill soll dafür die Voraussetzungen schaffen. Neben dem Leitstand und den Übungsräumen mit Fernsteuerungen für Containerbrücken und Ladekränen werden darüber hinaus auch 3D-Videobrillen eingesetzt, mit denen unter anderem die Reparatur von selbstfahrenden Containertransportfahrzeugen geübt wird.

Torben Seebold, Arbeitsdirektor der HHLA, skizziert den Hafenarbeiter der Zukunft: „Seine Rolle verändert sich. Physische Tätigkeiten weichen zunehmend der Steuerung, Analyse und Überwachung IT-gestützter Prozesse. Unter anderem sind technisches Verständnis, vernetztes Arbeiten und Kommunikationsstärke gefragt."

Top 10 der weltweit größten Containerhäfen
Next Level Logistics© HHLA/Thies Rätzke

Laut einer Analyse des Branchendienstes Alphaliner hat Shanghai seine Spitzenposition als größter Containerhafen der Welt im Jahr 2024 verteidigt. Der größte Hafen der Welt steigerte seinen Containerumschlag nach Angaben der Analysten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,5 Prozent auf 25,5 Millionen TEU. Die Abkürzung TEU steht für das englische Twenty-Foot Equivalent Unit und meint einen 20-Fuß-Standardcontainer.

  • 1. Platz: Shanghai (China)
    Umschlag: 25,5 Millionen TEU
  • 2. Platz: Singapur (Singapur)
    Umschlag: 20,3 Millionen TEU
  • 3. Platz: Ningbo-Zhoushan (China)
    Umschlag: 19,2 Millionen TEU
  • 4. Platz: Shenzhen (China)
    Umschlag: 15,6 Millionen TEU
  • 5. Platz: Qingdao (China)
    Umschlag: 15,2 Millionen TEU
  • 6. Platz: Guangzhou (China)
    Umschlag: 12,6 Millionen TEU
  • 7. Platz: Busan (Südkorea)
    Umschlag: 12,2 Millionen TEU
  • 8. Platz: Tianjin (China)
    Umschlag: 11,9 Millionen TEU
  • 9. Platz: Los Angeles/Long Beach (USA)
    Umschlag: 9,0 Millionen TEU
  • 10. Platz: Dubai (Vereinigte Arabische Emirate)
    Umschlag: 7,3 Millionen TEU
Europäische Häfen
  • 12. Platz: Rotterdam (Niederlande)
    Umschlag: 6,8 Millionen TEU
  • 14. Platz: Antwerpen (Belgien)
    Umschlag: 6,7 Millionen TEU
  • 21. Platz: Hamburg (Deutschland)
    Umschlag: 3,8 Millionen TEU
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Next Level Logistics© SSI Schäfer