Wenn Tiere online gehen
In Erich Kästners berühmter „Konferenz der Tiere“ übernahmen einst Elefanten, Löwen und Büffel die Kontrolle, um das Fehlverhalten der Menschen auszubügeln. Heute, mehr als 75 Jahre später, gibt es eine reale „Konferenz der Tiere“ – wissenschaftlich fundiert und technologisch unterfüttert: das Internet der Tiere – ein globales Netzwerk, das Forschenden erdballumspannend hilft, Tierbewegungen zu verstehen, Ökosysteme zu schützen und Naturkatastrophen vorherzusagen. In „tomorrow“ erklärt der Erfinder dieses Netzwerks, Martin Wikelski, wie er und sein Team Tiere aus dem All beobachten und so gemeinsam das Leben auf der Erde schützen.
Der Experte
Martin Wikelski ist ein deutscher Verhaltensbiologe und Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie im süddeutschen Radolfzell am Bodensee. Er gilt als einer der führenden Köpfe in der Erforschung tierischer Wanderbewegungen. Nach seinem Biologie-Studium in Deutschland und den USA forschte er an renommierten Institutionen wie der Princeton University. Wikelski erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg. Sein aktuelles Buch heißt „The Internet of Animals.“ (ISBN: 9783890295619)
Wie funktioniert die Technologie hinter ICARUS?
„Tiere sind die besten Spürnasen für Veränderungen in der Welt. Egal ob im Dienst von Natur oder Mensch. Das wussten schon die Römer, bei denen Gänse vor Überfällen gewarnt haben.“
Martin Wikelski
Wem nützt das Internet der Tiere?
Naturschutz
Durch das Tracking von bedrohten Arten können Schutzgebiete effektiver gestaltet und Wilderei verhindert werden.
Klimaforschung
Tierbewegungen liefern wertvolle Daten über Umweltveränderungen und helfen, Klimamodelle zu verbessern.
Frühwarnsysteme für Naturkatastrophen
Tiere reagieren oft sensibler auf Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüche – ihr Verhalten könnte in Zukunft als Frühwarnsystem dienen.
Pandemien frühzeitig erkennen
Wenn Tiere mit Menschen kommunizieren können, können sie Mitstreiter sein im Kampf gegen globale Ausbreitungen
„Es gibt zahlreiche Tierarten, die möglicherweise essenzielle Informationen für das Überleben der Menschheit in und mit sich tragen. Wir fangen jetzt an, den sechsten Sinn von Tieren zu verstehen. Wir haben ungefähr 30.000 bis 35.000 Tags, also richtige Wearables für Tiere, draußen in der Natur, die täglich ihre Daten in unsere Community-Datenbank schicken.“
Die demokratische Vision der ICARUS-Initiative
„Die Vision ist einfach zu beschreiben: die globale Information der Tiere zusammenzufassen, um vom kollektiven Wissen der Tiere zu lernen und zu profitieren. Wir wollen diesen Informationsgewinn demokratisieren, sodass ein Bauer im Niger oder ein Fischer auf den Galapagosinseln die gleichen Informationen haben kann wie ein Wissenschaftler in Europa. Allen Menschen soll Zugang zum tierischen Informationsschatz ermöglicht werden“, sagt Martin Wikelski, „dann kann jeder über Apps und Algorithmen eigene Warn- oder Informationssysteme für sich selbst kreieren.“
Das Wesentlichste an der Initiative sei, dass die meisten erkannt haben, dass Tiere geschützt werden müssen, wenn oft auch nur aus Eigeninteresse. Wikelski: „Tiere sind für die Menschheit überlebenswichtig. Wir teilen die Welt mit ihnen, und wenn es Tieren nicht mehr gut geht, dann sollten wir aufhorchen. Das Schicksal der Tiere wird letztendlich auch unser Schicksal sein.“