Dämmstoff vom Feld
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Dezember 2021

Dämmstoff vom Feld

Von Andrea Neumeyer
Hoher Dämmwert, gutes Raumklima, einfach herzustellen und CO2-neutral: Neue natürliche Baustoffe aus Hanf oder Mais könnten die Bauindustrie revolutionieren.

Jahrzehntelang wurde im Hausbau massenweise expandiertes Polystyrol – besser bekannt unter seinem Handelsnamen Styropor – verbaut. Es ist billig, leicht und hat eine gute Dämmwirkung: Doch Styropor ist biologisch nicht abbaubar und muss aufwendig recycelt werden. Da der Bausektor mit einem Anteil von 35 Prozent am Energieverbrauch weltweit als Energiefresser Nummer eins gilt, ist die Bauindustrie vermehrt auf der Suche nach nachhaltigen, natürlichen Baustoffen.

Hanf beispielsweise liefert gleich zwei Rohstoffe für den Hausbau: Die außenliegende Hanffaser wird seit vielen Jahren als Dämmstoff genutzt. Vor allem beim Holzbau lassen sich die Hanffasern gut einbringen, sie sind mit ihrem hohen Dämmwert und ihrer Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben, konventionellen Dämmstoffen weit voraus. Hinzu kommen sehr geringe Energiekosten bei der Herstellung und eine gute Umweltverträglichkeit.

Hanfkalk mit vielen Vorteilen

Im Massivbau bietet der neue Baustoff Hanfkalk – eine Verbindung aus organischen Hanfschäben und dem mineralischen Bindemittel Naturkalk – viele Vorteile. Hanfkalk kann für monolithische Bauweise verwendet werden, wegen seiner Festigkeit kann bei einstöckigen Häusern auf ein Tragwerk verzichtet werden. Im Vergleich mit Beton benötigt Hanfkalk weniger Energie für die Herstellung. Eingebaut kann er Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Ein Vorteil: Wände aus Hanfkalk können direkt verputzt oder mit Holz verkleidet werden, ein mehrschichtiger Aufbau entfällt.

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Hanfkalk benötigt weniger Energie zur Herstellung als Beton© Romancito77/Wikipedia
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Längst sind auch größere Gebäude aus Hanfkalk möglich: Das Bright Building der University of Bradford wurde von den Architekten Farrell und Clark 2016 als bis dahin größtes Hanfkalk-Bauwerk in einschaliger Bauweise errichtet.© Farrell & Clark Architects
Popcorn als vielseitiger Werkstoff

Ein Kinobesuch vor zehn Jahren brachte Prof. Alireza Kharazipour von der Georg-August-Universität in Göttingen auf die Idee, einen Dämmstoff auf Popcornbasis zu entwickeln. Der Körnermais wird dafür gemahlen, unter Hitze aufgepoppt und dann zu Platten verleimt. Nach Angaben der Universität besitzt der Popcorn-Schaumstoff bessere Dämmwerte als Styropor, ist jedoch schwerer entflammbar und besitzt gute Schallisolationseigenschaften. Doch Popcorn kann mehr: Erste Tests, das Maisprodukt auch als Plastikersatz einzusetzen, zum Beispiel für Stuhllehnen in der Möbelindustrie, laufen bereits.

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Mais zu Platten verleimt© Bachl GmbH

Nach der Nutzung kann der Mais-Werkstoff kompostiert, für die Wiederverwendung zerkleinert, zur Erzeugung von Biogas verwendet oder sogar als Tierfutter genutzt werden. Ein weiterer Vorteil: Neben den Maiskörnern können auch Abfälle aus der Maisindustrie wie zerbrochene Maiskolben verwendet werden.